Partnerschaft für Arzach

Partnerschaft für Arzach

Um nach dem Krieg von 2020 die Situation in Arzach (Berg-Karabach) zu stabilisieren, zu stärken und wieder Normalität zu schaffen, müssen nicht nur sicherheitspolitische, soziale und wirtschaftliche Fragen angegangen werden. Eine besondere Priorität sollte auch den Arbeitskräften und qualifizierten Spezialisten in Arzach eingeräumt werden, die an den Wiederaufbaumaßnahmen vor Ort beteiligt sein werden. Zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer der Aurora Dialogues Veranstaltung „Partnerschaft für Arzach“, die am 2. Mai 2021 im UWC Dilidschan stattfand.

Die Aurora Humanitarian Initiative hatte die Partner des Programms Aurora für Arzach, lokale und Diaspora-Organisationen, Stiftungen, Regierungsbehörden und Medienvertreter zusammengebracht. 

Vache Gabrielyan, Dekan des Manoogian Simone College of Business and Economics an der American University of Armenia (AUA), merkte an, dass dieses Treffen vor allem dazu diente, die Bedarfe und die Kapazitäten zu erfassen, um den Umfang der Aufgaben, ihre Bereiche und die Möglichkeiten für die Planung der weiteren Maßnahmen zu eruieren.

„Dies ist eine wichtige Veranstaltung, die auch Auroras Konzept der gelebten Dankbarkeit verkörpert, bei dem Menschen, die Hilfe erhalten, anderen Bedürftigen eine helfende Hand reichen. Viele Menschen haben vielleicht Ideen, aber nicht genügend finanzielle Mittel, andere wiederum haben vielleicht das Geld, aber keine Ideen, und wieder andere haben Kapazitäten. Hier werden wir Ideen und Kapazitäten zusammenführen. Dies ist nicht nur eine reine Veranstaltung, sondern der Auftakt für eine erfolgreiche Zusammenarbeit“, so Vache Gabrielyan.

Seit dem Start des Programms „Aurora für Arzach“ hat die Initiative bereits fast 1,7 Millionen US-Dollar für die Unterstützung von 75 Projekten lokaler und internationaler Partner bereitgestellt und will das Programm noch weiter ausbauen. Aurora setzt diese Mission fort und beabsichtigt, sie auszuweiten.

Bei der Begrüßung der Teilnehmer sprach Ruben Vardanyan, Mitbegründer der Initiative, über den Wiederaufbau von Arzach und die Stärkung von Arzach und Armenien durch gemeinsame Anstrengungen: „Bei Auroras Unterstützung für Arzach geht es nicht nur um finanzielle Spenden; wir wollen eine Art Brückenfunktion übernehmen, und auf der einen Seite stehen wir, unser armenischer Geist und unsere Identität, und auf der anderen Seite gibt es den Weg, über den wir mit der Welt verbunden sind. Wir sollten ein starkes Land schaffen. Ich bin sicher, dass wir das können.“

„‚Partnerschaft für Arzach‘ ist nicht nur der Titel dieser Veranstaltung, sondern auch die Philosophie der Arbeitsweise von Aurora. Bei allen Projekten und Aktivitäten, die Aurora in der Welt oder in Armenien und Arzach durchführt, arbeiten wir mit Partnern zusammen. Als im vergangenen Jahr der Krieg ausbrach, sagten die Gründer von Aurora dem All-Armenian Fund sofort 1 Million US-Dollar für Soforthilfeprojekte zu. Und als der Krieg endete, war Aurora eine der ersten, die eine weitere Million für Projekte, für die vom Krieg betroffenen Menschen, zugesagt hat“, so Nicola Stanisch, Exekutivdirektorin der Aurora Humanitarian Initiative. 

Artak Beglaryan, Stabschef des Präsidenten der Republik Arzach, sagte, dass der Krieg zur Binnen- oder Zwangsvertreibung von 39.000 Menschen geführt habe, die derzeit obdachlos seien, und dass es Familien von über 4.000 gefallenen Soldaten, 10.000 verwundeten Soldaten, Vermissten und Kriegsgefangenen gebe, was wiederum Probleme mit der psychischen Gesundheit der Betroffenen aufwerfe. Er betonte, wie wichtig die Diskussion sei, um diese Probleme und ihre Lösungen zu verstehen. „Als Bürger von Arzach und als Vertreter der Regierung von Arzach möchte ich Ihnen für Ihr Herz danken, das auch für dieses Stück unserer Heimat schlägt. Ich bin Aurora und allen Teilnehmern dankbar für ihre Bemühungen, Arzach zu helfen.“ 

„In Armenien gibt es 6.300 Familien mit rund 25.000 Menschen, die aus Arzach vertrieben wurden. Wir sollten zusammenfinden und gemeinsam unseren Weg zurück in die Heimat bauen“, fügte Michayel Virabyan, Koordinator des Operativen Hauptquartiers der Regierung von Arzach in Armenien, hinzu. 

„Diese Plattform ist sehr wichtig, da sie uns die Möglichkeit gibt, die dringenden, mittelfristigen und langfristigen Bedarfe zu diskutieren und zu überlegen, wie wir unsere Kapazitäten kombinieren können. Wir setzen uns aktiv dafür ein, dass internationale Institutionen Projekte in Arzach durchführen können“, so Karen Daduryan, Beraterin des armenischen Außenministers, über ihre Arbeit für Arzach.

 

 

Die Veranstaltung umfasste vier Workshops zu den Themen Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur, wirtschaftliche Entwicklung sowie soziale Fragen, in denen die Fachleute die sektorspezifischen Bedürfnisse diskutierten und versuchten, die nächsten Schritte festzulegen. An den Workshops nahmen auch führende Spezialisten aus der ganzen Welt teil. Der Workshop zum Thema „Gesundheitsversorgung“ wurde moderiert von Ara Babloyan, wissenschaftlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Arabkir Joint Medical Center-Institute of Child and Adolescent Health; der Workshop zum Thema „Bildung und Kultur“ wurde moderiert von Narine Aghabalyan, Leiterin des Programms Aurora für Arzach und ehemalige Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Sport der Republik Arzach; der Workshop zum Thema „Wirtschaftliche Entwicklung“ wurde moderiert von Vahe Keushguerian, Berater des Präsidenten von Arzach für Entwicklungsprogramme und Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender von Impact Hub Yerevan; und der Workshop zum Thema „Soziale Fragen“ wurde moderiert von Mira Antonyan, Vorsitzende der Armenian Association of Social Workers und Geschäftsführerin der Children Support Center-Foundation, Fund for Armenian Relief. 

In den Diskussionsrunden wurden die vorläufigen Ergebnisse einer Umfrage zur Bewertung der Auswirkungen des Krieges in Arzach vorgestellt. Die Umfrage wurde vom armenischen Verband der Sozialarbeiter durchgeführt․

„Unsere Umfrage ergab, dass 30 % der aus Arzach nach Armenien umgesiedelten Menschen bereit sind, sofort nach Arzach zurückzukehren, 40 % würden zurückkehren, wenn es dort Wohnmöglichkeiten gibt und weitere Voraussetzungen erfüllt sind, und nur 30 % zögern noch. Das sind sehr gute Indikatoren“, so Mira Antonyan. Sie ging auch auf die Diskussion ein, die während des Workshops zum Thema „Soziale Fragen“ stattfand, und betonte insbesondere die Wichtigkeit der Entwicklung lokaler Kapazitäten, die Einbindung von Spezialisten aus Armenien und der Diaspora sowie die Ausbildung von Spezialisten direkt in Arzach. 

Ara Babloyan hob in seinem Fazit zum Workshop „Gesundheitsversorgung“ speziell den Verlust von Fachkräften und infrastrukturelle Schäden durch den Krieg hervor. Er wies auch darauf hin, wie wichtig die gemeinsamen Gespräche sind: „Aurora bot den wichtigsten Organisationen, die in Arzach tätig sind, die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und ihre Aktivitäten im Rahmen einer Zusammenarbeit fortzusetzen. Deshalb wurde ein Koordinationsgremium eingerichtet, das dem Ministerium angegliedert ist. Das Gremium wird einerseits bei der Erarbeitung einer Strategie zur Entwicklung der Gesundheitsversorgung helfen, und andererseits die Koordination der gesamten Hilfe für Arzach unterstützen, und das sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht.“

Die Teilnehmer des Workshops zum Thema „Wirtschaftliche Entwicklung“ und der Moderator des Workshops Vahe Keushguerian hatten mehrere Diskussionsthemen. Dies waren die Bereiche Produktion, Landwirtschaft, soziales Unternehmertum, Stadtentwicklung und regionale Verwaltung von Infrastrukturen. Vahe Keushguerian wies auf einige der Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Erholung und Entwicklung hin. „In der Leichtindustrie gibt es beispielsweise Nähfabriken und unsere Priorität ist es, deren Betrieb wiederherzustellen. Die Teppichweberei ist ein weiteres Thema, das für uns von Interesse ist. Die Teppichweberei hat eine rund tausendjährige Tradition, aber derzeit haben wir nur eine Fabrik in Stepanakert mit 60 Beschäftigten. Das ist eine nahezu untergegangene Kultur, die wir wieder aufleben lassen sollten.“

Die Teilnehmer des Workshops zum Thema „Bildung und Kultur“ und die Moderatorin des Workshops Narine Aghabalyan diskutierten unter anderem über die Frage der Rettung des armenischen Kulturerbes vor dessen Zerstörung, das sich derzeit unter der Kontrolle der aserbaidschanischen Streitkräfte befindet, sowie über die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen im Bereich der Bildung, die richtige Abstimmung von formaler und nicht-formaler Bildung, die Anpassung von Bildung und Wissenschaft an die wirtschaftlichen Anforderungen und die Stärkung von Humankapital. Über all diese Diskussionen wurde ein detailliertes schriftliches Protokoll angefertigt, damit diese Themen weiterhin verfolgt werden können.

„Bei diesen Diskussionen ging es nicht nur darum, die Auswirkungen des Krieges zu mildern oder zu beseitigen, sondern auch eine Vision für die Zukunft zu schaffen, was sehr wichtig ist. Wenn wir über den Wiederaufbau und die Stärkung von Arzach sprechen, sollten wir auf jeden Fall in die Zukunft blicken, und wir sollten die Vision dieser Zukunft für die Menschen, die dort leben, sichtbar machen“, so Narine Aghabalyan. 

Noubar Afeyan, Mitbegründer der Aurora Humanitarian Initiative, nahm via Online-Verbindung an der Veranstaltung „Partnerschaft für Arzach“ teil und begrüßte die Teilnehmer aus Boston, Massachusetts. Sowohl er als auch Ruben Vardanyan erinnerten an den kürzlich verstorbenen Mitbegründer von Aurora, Vartan Gregorian, und zitierten ihn in ihren Reden. 

„Wir sind überzeugt, dass diese Veranstaltung dazu beitragen wird, unsere Mission in Zukunft noch effektiver zu verwirklichen. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen: Wenn wir heute nicht gemeinsam unsere Zukunft gestalten, wird es morgen dafür sehr spät sein. Es ist schwer zu begreifen, dass Vartan heute nicht bei uns ist, und ich möchte meine Rede mit einem Zitat von ihm beenden: ‚Mit dem Überleben kommt die Verantwortung, mit der Verantwortung kommen die Taten, nicht nur die Worte.‘ Heute tragen wir alle Verantwortung“, so Noubar Afeyan.