Lucin Beredjikian hatte in ihrer Kindheit viel erlebt und immer noch türmten sich mächtige Herausforderungen vor ihr auf.
Ihre Kindheit war geprägt von nahezu blanker Angst.
Die Osmanen kamen in ihr Heimatdorf in der südlichen Türkei und deportierten sie und ihre Familie in die Syrische Wüste. Dort verlor sie ihre Eltern.
Lucin Beredjikian hatte bereits viel erlebt und immer noch türmten sich mächtige Herausforderungen vor ihr auf.
Die erste davon war die Reise zu ihrem Bruder, der sich hatte retten können, indem er rechtzeitig das Land verließ und nach Buenos Aires auswanderte. Die Reise in ein fremdes Land, das ganze 8.000 Meilen entfernt lag, hätte jedem Furcht eingeflößt.
Heute, nach vielen Jahren, genießt sie Ruhe und Frieden im Kreise ihrer zwei Kinder, fünf Enkel und sechs Urenkel.
Es war ein langwieriger Prozess und doch war das Gefühl der Dankbarkeit stärker als Gram und Schmerz.
In den Anfängen des Völkermordes rettete ein armenischer Arzt ihr das Leben. Er leitete das örtliche Krankenhaus in der kilikischen Stadt Aintab, in der südwestlichen Türkei. Lucin litt an Fleckfieber. Der Zustand war unter den herrschenden unhygienischen und chaotischen Bedingungen schwer zu behandeln. Aber der Arzt handelte schnell.
Viele Menschen aus ihrem Umfeld starben. Auch Lucin drohte der Tod, aber sie überlebte und hatte das Glück, eine kinderreiche Familie zu haben.
Kurz nach Abschluss ihrer Schulzeit beschloss Lucin, nach Buenos Aires zu gehen. Ihre Schwester, die ihr Vormund war, hatte kleine Kinder aufzuziehen und so dachte Lucin, sie ziehe am besten zu ihren Brüdern nach Südamerika.
Das Leben in einem fremden Land fiel ihr nicht leicht, aber eine Gemeinschaft hatte sie dennoch gefunden.
Viele der Flüchtlinge kamen aus Kilikien, die weitaus meisten aus den größeren Städten Marasch, Hadjin und Aintab, die man heute als Kahramanmarasch, Saimbeyli bzw. Gaziantep kennt. Die übrigen kamen aus kleineren Dörfern wie Lucins Heimatort.
Von Anfang an hielten sie zusammen, trafen sich erst im kleinen Café in der De-Mayo-Straße 25 und später in der Kathedrale Johannes des Täufers. Geld hatten sie nicht und wenig Habe, aber zwei Dinge waren ihnen wichtig: Gemeinschaft und Bildung.
Trotz der schrecklichen Bürde ihrer Vergangenheit ging es den Armeniern immer besser.
Ihren Ehemann Harutiun Khatcherian lernte Lucin schon bald nach ihrer Ankunft in Buenos Aires kennen. Er ist schon gestorben, aber sie bleibt weiterhin das Herzstück ihrer Familie.
Jedes Jahr am 24. April erzählt sie ihren Enkeln die Geschichte, wie sie überlebte.
Die Geschichte wurde vom Forschungsteam der Initiative 100 LIVES verifiziert.