Der evangelische Missionar und Diakon aus der Schweiz verbrachte die ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als Krankenpfleger der Armenier, einschließlich der Opfer des Genozids.
Das Buch Im Lande des Blutes und der Tränen, das er während eines vorübergehenden Aufenthalts zwischen 1919 und 1922 in seiner schweizerischen Heimat schrieb, war ein wichtiger Augenzeugenbericht von den Gräueltaten, die er mit angesehen hatte. Er und seine Frau Elisabeth kehrten im Rahmen des Evakuierungsprogramms der Hilfsorganisation Near East Relief zurück, um Waisen aus der Türkei zu evakuieren. Es gelang ihnen, 8000 heimatlose Kinder nach Syrien und in den Libanon zu bringen.
Künzler hatte seine eigenen Eltern schon früh verloren und arbeitete als Tischler, bis er sich zum Arzthelfer ausbilden ließ. Nach Urfa reiste er erstmals 1899 und arbeitete dort 20 Jahre lang. Oft sprang er in der Zeit für Chirurgen ein und konnte sich schon bald auf Armenisch, Türkisch und Kurdisch verständigen. Als der erste Weltkrieg begann und viele Ausländer die Türkei verlassen mussten, konnte Künzler als Schweizer Staatsbürger bleiben. Oftmals war er für die Betroffenen des Völkermordes die einzige Anlaufstelle für medizinische Versorgung. Was er in diesen Jahren miterlebte, machte ihm mental und physisch zu schaffen.
Nach dem Kriegsende 1919 kehrte Künzler völlig erschöpft in die Schweiz zurück, um sich zu erholen. Er beendete seine Ausbildung zum Chirurgen und schrieb, verfolgt von seinen Erinnerungen, sein Buch über den Völkermord. Als das Programm zur Ansiedlung von Waisen in sicheren Gebieten außerhalb der Türkei begann, beschloss er, wieder zurück zu kehren. „Da meine Frau und ich im Gegensatz zu anderen beim Near East Relief mit unseren Sprach- und Ortskenntnissen am besten für dieses Projekt geeignet waren, wurden wir damit beauftragt, über 8000 armenische Waisen aus Urfa und Umgebung zu evakuieren“, schrieb er später und bezeichnete seinen Einsatz als „eine Arbeit, die uns so sehr beglückte, dass wir diesen Teil unseres Lebens als einen der besten erachten.“ Diese Herkulesleistung gilt als entscheidend für das Überleben vieler Armenier im Westen.
Künzler legte großen Wert darauf, dass die Kinder im Waisenhaus in Ghazir Teppichknüpfen oder andere Fertigkeiten lernten, mit denen sie später als Erwachsene ihr Brot verdienen konnten. 1925 stellten sie einen Vorleger her, der US-Präsident Calvin Coolidge geschenkt wurde. Künzler war auch wie ein Vater für seine Schützlinge und achtete nach Möglichkeit darauf, dass die Waisenmädchen armenische Jungen heirateten, damit die armenische Identität auch im Exil erhalten bleibe.
Vor seinem Tod 1949 gründete Jakob Künzler eine Einrichtung für blinde Waisen und ein Sanatorium. Er rief auch ein Hausbauprogramm für armenische Flüchtlinge ins Leben – er und Elisabeth sammelten dazu die nötigen Gelder selbst ein.
Veröffentlichung der Bilder mit freundlicher Genehmigung des Armenischen Genozid Museum-Instituts.
Die Geschichte wurde vom Forschungsteam der Initiative 100 LIVES verifiziert.