Dr. Kim Hartzner: „Wir brauchen mehr Helden!“

Dr. Kim Hartzner: „Wir brauchen mehr Helden!“

Mission East wurde von einem Vater-Sohn-Team mit großer Leidenschaft ins Leben gerufen und ist eine internationale Hilfs- und Entwicklungsorganisation, die bereits Tausenden von Menschen in Not geholfen hat. Erstaunlicherweise ist die Geschichte dieser von einer dänischen Familie geleiteten humanitären Initiative, die sich zu einer weltweiten Organisation für lebensverändernde Maßnahmen entwickelt hat, eng mit den Ereignissen des Völkermordes an den Armeniern und den mutigen Missionaren verbunden, die vor einem Jahrhundert den Bedürftigsten geholfen haben. Als Mitbegründer und Geschäftsführer von Mission East ist Dr. Kim Hartzner heute nicht nur für die Leitung und strategische Ausrichtung, sondern auch für den Erhalt des Familienerbes verantwortlich. 

Gegründet wurde Mission East im Jahr 1991 von René Hartzner, der aufgrund seiner Tätigkeit in einem internationalen Handelsunternehmen und der damit verbundenen hohen Reiseaktivitäten mit Osteuropa bestens vertraut war, und seinem Sohn Dr. Kim Hartzner. „Durch seine Arbeit hatte mein Vater viele Verbindungen in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion. In den Jahrzehnten vor der Gründung von Mission East hatten mein Vater und ich auch ein großes Netzwerk unter den Dissidenten und in den Kirchen vieler osteuropäischer Länder aufgebaut“, erzählt Dr. Hartzner. Nach dem Fall der Berliner Mauer waren sie durch die bereits bestehenden Verbindungen in einer einzigartigen Position, um Menschen zu unterstützen, die sich in einer Notlage befanden. Ein wesentlicher Beweggrund für ihre Entscheidung, anderen zu helfen, liegt jedoch möglicherweise weiter zurück – genauer gesagt im Jahr 1915.

Während des Völkermordes an den Armeniern rettete die dänische Missionarin Maria Jacobsen Tausende von Kindern und eröffnete nach der Massenevakuierung von Kindern aus dem Osmanischen Reich in den 1920er Jahren im Libanon das Waisenhaus Bird's Nest. Das damals von ihr geführte Tagebuch spielte eine bedeutende Rolle bei der weltweiten Aufklärung über die vom Osmanischen Reich begangenen Gräueltaten. Dr. Hartzner war vom Lebenswerk seiner Landsmännin tief bewegt: „Als Däne kann man nicht anders, als sich von dieser unglaublichen Geschichte ergriffen zu fühlen, die mir eigentlich zum ersten Mal von einem Vertreter des armenischen Sozialministeriums erzählt wurde. Dieses Waisenhaus in Byblos besteht auch heute noch. Ich habe es vor einigen Jahren bei einer Reise zur Kontrolle unserer Unterstützung für syrische Flüchtlinge besucht, darunter viele Armenier – sogar einige, die das Karen Jeppe* College in Aleppo besucht hatten. Auf eine unglaublich paradoxe Art und Weise wiederholt sich heute die Geschichte!“

Das erste Projekt, das Mission East 1991 als humanitäre NGO durchgeführt hat, war die Lieferung von lebensrettenden Medikamenten, die von einem dänischen Unternehmen gespendet wurden, an ältere Diabetiker im russischen Sankt Petersburg. „Der Bürgermeister unterstützte die Sozialarbeit einer Kirche und hatte versprochen, dass sie für die Bereitstellung von Medikamenten ein halbfertiges Kulturzentrum erhalten würden. Mein Vater setzte sich mit einem dänischen Pharmaunternehmen in Verbindung und erhielt Diabetes-Medikamente im Wert von 300.000 Dollar. Mission East wurde gegründet, und mein Vater und ich verbrachten unsere gesamte Freizeit damit, Geld in Dänemark zu sammeln und Hilfsgüter zu transportieren. Unsere Garage war schnell mit Kleidung, Medikamenten und Krankenhausausstattung gefüllt, die wir und andere in Lastkraftwagen nach Osteuropa fuhren“, so Dr. Hartzner. Und das war erst der Anfang.

Dr. Kim Hartzner mit seinem Vater, René Hartzner, Mitbegründer von Mission East, Kopenhagen, Oktober 2015

„Anfang der 1990er Jahre litt Armenien unter den Auswirkungen von drei Katastrophen: dem Erdbeben Ende der 1980er Jahre, dem Krieg mit dem angrenzenden Aserbaidschan und dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Große Teile der Bevölkerung bekamen keine Grundversorgung, selbst Nahrungsmittel waren für die bedürftigsten Menschen knapp“, erzählt Dr. Hartzner. „Im Oktober 1992 schickte daher Mission East große Flugzeuge mit Hilfsgütern von Dänemark nach Armenien, unter anderem mit einem transportablen Notfallkrankenhaus für den Einsatz in einem Atomkrieg. Im Laufe von zwei Jahren haben wir insgesamt neun große Transportflugzeuge nach Armenien geschickt, die meisten davon mit Lebensmitteln, Medikamenten und Krankenhausausstattung. Das Krankenhaus, das wir im Rahmen dieser Operation gegründet haben, ist auch heute noch in Betrieb und wird als Krankenhaus Dänemark bezeichnet.“

Mit staatlicher und privater Hilfe zunächst in Dänemark und später auf weltweiter Ebene (Mission East wurde u. a. von der EU und den Vereinten Nationen unterstützt) entwickelte sich die NGO schnell zu einer soliden humanitären Organisation mit mehr als 300 Mitarbeitern weltweit, die in Afghanistan, Armenien, Irak, Myanmar, Nepal, Nordkorea, Syrien und Tadschikistan tätig sind. 

Dr. Kim Hartzner verteilt Decken und andere wärmende Sachen an das 14-jährige Mädchen Alwin und ihren 13-jährigen Bruder Hogi in der Nähe von Zakho im Nordirak, Februar 2015

Doch selbst mit all dieser Unterstützung reichen die Ressourcen noch nicht aus, um all jene zu unterstützen, die Hilfe benötigen: „Wir stehen vor großen humanitären Katastrophen, bei denen wir entscheiden müssen, wo wir unsere Kapazitäten am besten für die Hilfe anderer Menschen einsetzen können“, beklagt Kim Hartzner und fügt hinzu: „In Nordkorea, wo 11 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen, kann Mission East zusammen mit nur vier internationalen NGOs mit einer ständigen Vertretung in diesem Land mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten und lediglich für zwei Millionen Menschen humanitäre Hilfe leisten. Es ist eine große Herausforderung, wenn man nur einen Bruchteil einer großen Bevölkerung erreichen kann, die enorme Bedürfnisse hat, und wenn man die eigenen Bemühungen priorisieren muss.“

Für jemanden, der sein Leben der Hilfe für seine Mitmenschen gewidmet hat, ist es nur schwer zu verstehen, warum manche diese erschütternde Realität einfach ignorieren wollen. „Die meisten Regierungen geben hundertmal mehr für ihren Militäretat als für Entwicklungshilfe aus. Die Ressourcen im reichen Teil der Welt sind groß genug, um den bedürftigen Menschen der Welt eine lebensverändernde Unterstützung zukommen zu lassen, aber irgendwie setzen wir andere Prioritäten“, stellt er erstaunt fest. „Die einzige Möglichkeit, die Bedürfnisse zu decken, besteht darin, dass mehr Menschen die Herausforderung annehmen und sich engagieren, um etwas zu verändern. Wir brauchen mehr Helden!“

Dr. Kim Hartzner untersucht ein unterernährtes nordkoreanisches Mädchen in einem Krankenhaus in der Stadt Chongju in der nordkoreanischen Provinz Nordpyongan, März 2011

Die Beschaffung finanzieller Unterstützung ist nach wie vor einer der schwierigsten Faktoren, um weiterhin gute Arbeit leisten zu können. Es kommen jedoch noch weitere Aspekte hinzu. Für den Umgang mit arbeitsbedingtem Stress und dessen Auswirkungen hat Dr. Hartzner sein eigenes Rezept: „Ich bin im Grunde ein Optimist, aber die Wurzel dieser positiven Lebenseinstellung ist mein starker christlicher Glaube und die Überzeugung, dass das Leben einen Sinn hat und dass Gott einen Plan für jeden von uns hat, mich eingeschlossen. Ich lege großen Wert darauf, dass ich die grundlegenden Werte der Liebe, Fürsorge und des Respekts für andere Menschen beherzige.“

Mit eigenen Augen zu sehen, welche Auswirkungen seine Arbeit auf andere hatte, ist dabei eine wertvolle Hilfe: „In den späten 1990er Jahren begannen wir mit den wegweisenden Aktivitäten für Veränderungen der Konzepte im armenischen Bildungssystem, um die Inklusion von Kindern mit Behinderungen zu verbessern. Eines der ersten Kinder, das wir trafen, war Helena. Sie hatte ein Sprachproblem, war aber ansonsten fit und gesund. Jahre später, als ich zwei Jahre lang in Armenien lebte, traf ich sie wieder. Sie hatte einen Job im Supermarkt und lächelte über das ganze Gesicht, als sie mich sah. Dies war eines meiner schönsten Erlebnisse in meinem ganzen Leben, denn ich habe erkannt, dass sich das, was wir tun, auf lange Sicht auszahlt. Trotz der schlimmen Tragödien, die ich manchmal miterlebe, treibt mich die persönliche Erkenntnis darüber, dass sich das Leben von Menschen verändert hat und dass ich dabei eine Rolle gespielt habe, dazu an, niemals aufzugeben, sondern mich immer wieder neuen Herausforderungen und Hindernissen zu stellen.“

Dr. Kim Hartzner mit Baronin Caroline Cox in einem Hubschrauber auf dem Weg von Jerewan nach Stepanakert, der Hauptstadt von Berg-Karabach, April 1993

„Ich wurde nicht auf dieser Erde geboren, um nur die schönen Dinge zu genießen, die das Leben zu bieten hat, sondern um von allem, was man mir geschenkt hat, etwas an andere Menschen weiterzugeben. Ich habe ein sehr privilegiertes Leben geführt. Es gibt viel, wofür ich dankbar sein darf: Ich habe eine großartige Familie mit vier Söhnen, die alle eine Quelle großer Inspiration für mich sind, ich habe Freunde, und man begegnet mir wo auch immer ich hingehe mit Wärme und Gastfreundschaft. Ich habe den Fall der Berliner Mauer erlebt und dann mit meinem Vater Mission East gegründet und die Entwicklung der Organisation miterlebt. Das Leben hat mir so viel gegeben – für mich bedeutet gelebte Dankbarkeit, all das zurückzugeben, was ich bekommen habe.“