Der Glaube an die Menschlichkeit: Religion als verbindende Kraft für das Gute

Der Glaube an die Menschlichkeit: Religion als verbindende Kraft für das Gute

Am 30. November 2023 veranstaltete die Aurora Humanitarian Initiative eine Aurora Dialogues Online-Veranstaltung mit dem Titel „Der Glaube an die Menschlichkeit: Religion als verbindende Kraft für das Gute“, die in Zusammenarbeit mit dem Tanenbaum Center for Interreligious Understanding organisiert wurde. „Seit unserem letzten Treffen im Rahmen der Aurora Dialogues vor ein paar Monaten hat sich so viel verändert – leider auch vieles zum Schlechten. Der Bedarf an humanitärer Hilfe, Intervention und Aufmerksamkeit ist heute größer als in der jüngeren Vergangenheit. In einer Welt, die so sehr von Spaltungen und Konflikten geprägt ist, ist es wichtig, uns an die Kraft des Glaubens zu erinnern, die uns zusammenbringt“, so Armine Afeyan, Geschäftsführerin der Aurora Humanitarian Initiative, bei der Begrüßung der Teilnehmer. 

Dr. Azza Karam, Professorin für Religion und Entwicklung an der Vrije Universiteit Amsterdam, moderierte die Diskussion, in der es um die Frage ging, ob Religion das Potenzial hat, zu einer verbindenden Kraft zu werden, die Menschen auf der ganzen Welt an ihre gemeinsame Menschlichkeit erinnert. Zu den Rednern gehörten Dr. Tom Catena, Vorsitzender der Aurora Humanitarian Initiative und medizinischer Direktor des Mother of Mercy Hospital; Dr. Sarah AK Ahmed, Tanenbaum Peacemaker in Action und Direktorin für Programmarbeit bei Preemptive Love; Debra Boudreaux, Geschäftsführerin von Tzu Chi; Ruth Messinger, globale Botschafterin des American Jewish World Service und Msgr. Robert Vitillo, Mitglied des Expertengremiums für den Aurora-Preis und Generalsekretär der Internationalen katholischen Kommission für Migrationsfragen.

Dr. Tom Catena, der sein Leben der medizinischen Versorgung der Bevölkerung in den kriegszerstörten Nuba-Bergen im Sudan gewidmet hat und dort als einziger Chirurg dauerhaft tätig ist, sprach über die Tradition der Fürsorge für Kranke und Bedürftige, die historisch gesehen einer der Grundpfeiler des christlichen Glaubens ist. Er wies auch darauf hin, dass dieser Trend bis heute anhält. „Man schätzt, dass 40 % der Gesundheitsversorgung in Ostafrika von christlichen Missionseinrichtungen geleistet wird. Wir sollten nicht vergessen, dass wir nicht die Erben eines weichen, milchigen Glaubens sind, sondern eines Glaubens, der auf dem Blut und den Opfern von Märtyrern und heldenhaften Menschen aufgebaut wurde. <...> Ich sage ohne Umschweife, dass mein religiöser Glaube der Hauptgrund ist, warum ich so viele Jahre in dieser vom Krieg zerrissenen, abgelegenen Region geblieben bin. Ich und meine Mitgläubigen lassen uns direkt von unserem Herrn Jesus leiten, den wir auch als den ‚göttlichen Arzt‘ bezeichnen“, so Dr. Catena.

Es sei kein Geheimnis, dass auf dem Glauben gründende Wohltätigkeitsorganisationen zur Entstehung des modernen humanitären Systems beigetragen hätten, fügte Msgr. Robert Vitillo hinzu, der auf die seit Jahrhunderten bestehende Erfolgsgeschichte von auf dem Glauben beruhenden humanitären Maßnahmen hinwies. Veränderungen sind immer unvermeidlich und oft willkommen, aber die grundlegenden Prinzipien der Wohltätigkeit waren schon immer vorhanden, betonte er. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir unbedingt neue Wege finden müssen, um eine bessere Zukunft zu schaffen. <...> Ich glaube, dass die Glaubenstraditionen dies seit jeher getan haben und auch weiterhin die Werte, die Anerkennung, den Respekt und die Würde jedes einzelnen Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod fördern müssen, sowie die gesamte Schöpfung pflegen und Gott als Schöpfer des Universums verehren, um eine bessere Zukunft für die kommenden Generationen schaffen zu können“, so Msgr. Vitillo.

Ruth Messinger stimmte ihm darin nicht völlig zu und sagte, dass „Menschen eines gewissen Alters dem, was neu entwickelt wird, etwas Aufmerksamkeit schenken sollten“. Sie forderte die Zuhörer auf, sich die Entstehungsgeschichte nicht-religiöser humanitärer Organisationen genauer anzuschauen, da viele von ihnen überraschenderweise ihre Wurzeln in etwas recht Vertrautem haben. „Die Organisationen, die wir alle kennen, einige von ihnen sind riesig und sehr mächtig, sogenannte säkulare Organisationen, haben sehr oft formal ihre Anfänge in Glaubenstraditionen. <...> Dieser Instinkt – und jetzt spreche ich von meiner eigenen Tradition – dass man die gleiche Menschlichkeit in jedem Menschen anerkennt und mit ihm arbeitet, weil man weiß, wie es war, entweder persönlich oder historisch, oder weil man vielleicht von der Gefühlslage her weiß, wie es war, wie es für andere Menschen ist, arm zu sein, versklavt zu sein, unterdrückt zu werden – das ist die grundlegende Lehre des Judentums, nach Gerechtigkeit zu streben und dem anderen und dem Fremden zu helfen, weil man selbst einmal betroffen war“, so Ruth Messinger.

Religion habe die Kraft, als umfassender ethischer Rahmen zu dienen, der den Einzelnen in seinem Leben leite, und als solcher könne sie genutzt werden, um eine bessere Welt für alle Gemeinschaften zu schaffen, argumentierte Dr. Sarah AK Ahmed. „Die Menschen engagieren sich für ihre Religion und für die religiösen Stimmen, denen sie folgen. <...> All diese Stimmen zu haben, wenn es um Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Fürsprache geht, und bestimmte Prinzipien zu betonen, die wir anstreben oder nach denen wir suchen, wenn wir eine Gemeinschaft mobilisieren – Mitgefühl, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit – und unsere religiösen Führer und Führer von Gemeinschaften zu motivieren, die Menschen aus dieser Perspektive und mit diesem Hintergrund zusammenzubringen, hat einen erstaunlich großen Einfluss auf den Erfolg unserer Projekte gehabt“, so Dr. Ahmed, deren Organisation Preemptive Love im Nahen Osten und anderen Regionen tätig ist.

Debra Boudreaux von der buddhistischen humanitären Stiftung Tzu Chi sprach über die Herausforderungen, die die eigenen religiösen Grundsätze mit sich bringen können, wenn man entschlossen ist, denen zu helfen, die diese Grundsätze nicht teilen. Als Beispiel für diese Kontroverse nannte sie buddhistische Wohltätigkeitsküchen – sollten sie im Einklang mit dem Ahimsa-Prinzip stehen, wonach kein Lebewesen verletzt werden darf, und ausschließlich pflanzliches Essen ausgeben oder den Bedürftigen auch gehaltvollere, nicht-vegetarische Kost anbieten? Aber in jedem Fall ist es besser, aktiv zu helfen, als nichts zu tun, aus Angst, nicht genug zu tun. „Wenn man in seinem Leben nichts Sinnvolles tut, ist es vergebens. Aber wenn du dich ständig für ein besseres Leben der Menschheit einsetzt, wird dein Leben großartig sein. In der vegetarischen Bewegung, die wir als Buddhisten verfolgen, gehen wir in Notunterkünfte und stellen Lebensmittel zur Verfügung, um die Gesundheit der Bedürftigen zu stärken, ihnen zu zeigen, wie sie sich gesund ernähren und ihre Ernährung ausgewogen gestalten können. <...> Wir geben ihnen Wärme, und diese Wärme nehmen sie mit in ihr Leben“, so Debra Boudreaux.

Zum Abschluss der Veranstaltung dankte Dr. Azza Karam den Rednern und brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass sie alle gemeinsam ihr Engagement fortsetzen mögen. „Jeder von Ihnen verkörpert genau das, was wir brauchen. Wir stehen vor einer technologischen Zukunft, in der viele, viele Dinge von Maschinen erledigt werden. Was uns von anderen unterscheidet, ist unsere Menschlichkeit, unser Glaube und die Art und Weise, wie wir den Schöpfer und die Schöpfung ehren, und das können wir nicht allein tun, egal wie groß unsere Institutionen sind, wie groß unsere finanziellen Mittel sind, wie groß wir sind“, so Dr. Azza Karam.

Das vollständige Video der Diskussion auf Englisch kann nachstehend angesehen werden.