logo
SCHLIESSENMenu
Anwältin der Bauern

Anwältin der Bauern

Von Tigrane Yegavian

Die kolumbianische Aktivistin Ruby Castaño ist eine der zentralen Vertreterinnen von SINTAGRIM (Unabhängige Landarbeitergewerkschaft von Meta), einem Kollektiv von Landarbeitern, die für ihr Recht auf Würde kämpfen. Unermüdlich verteidigt sie die Bauern ihrer Heimatregion Meta und riskiert dabei ihr eigenes Leben. Ihre Kollegen von SINTAGRIM sind seit Jahren das Ziel von Mordanschlägen, und auch Ruby wird regelmäßig von den Paramilitärs bedroht. Heute setzt sie ihren Kampf als Leiterin der neuen Vereinigung ASOCATDAME (Vereinigung der Landwirte, Landarbeiter und Umweltschützer von Meta) fort, die an der Seite der lokalen Gemeinschaften für den Zugang zu Land kämpft.

Ruby Castaño ist eine Frau mit Mut und Überzeugung, die tief in ihrer Familiengeschichte verwurzelt ist. Ihre Geschichte ist eng verwoben mit der der Bauern ihres Landes, die für ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben kämpfen. Durch ihre Arbeit in abgelegenen Regionen ist Ruby Castaño nur schwer zu erreichen, doch hat man einmal ihre Stimme gehört, bleibt sie einem im Gedächtnis. Sie erzählt von ihrem Kampf aus der Stadt Villavicencio in der Region Mata, 124 Kilometer von der kolumbianischen Hauptstadt Bogota entfernt. Mehrmals im Monat geht Ruby dorthin, um durchzuatmen, bevor sie zu ihrer Arbeit zurückkehrt. Sie unterstützt Bauern und Indigene, die für ihren Aktivismus in ihren Gemeinden bedroht und verfolgt werden, hilft bei der Konfliktlösung in ländlichen Gegenden und verteidigt Frauen, die auf sich allein gestellt sind und ihre Kinder nicht versorgen können.

Mit den Traumstränden des Karibischen Meeres im Norden und dem Pazifischen Ozean im Nordwesten ist Ruby Castaños Heimat Kolumbien ein Land, das sehr reich an natürlichen Ressourcen ist. Hierzu gehören unter anderem der Regenwald des Amazonas und das Hochland der Anden. Das Land ist aber auch stark von Gewalt geprägt. Zwischen 1948 und 1957 wütete in Kolumbien ein Bürgerkrieg, der als „La Violencia“ (Die Gewalt) bezeichnet wird. In dieser Zeit wurden 300.000 Menschen getötet. 

Ruby Castaño war schon mit 17 Jahren Aktivistin

Bis heute leiden die Kolumbianer unter tiefen Ungleichheiten und Ausbrüchen von bewaffneten Konflikten zwischen dem Militär, marxistischen Guerillas und rechtsextremen paramilitärischen Gruppen, die die Großgrundbesitzer verteidigen. Das Umfeld der alltäglichen Gewalt, die das Land seit siebzig Jahren erschüttert, hat zu einer hohen Kriminalitätsrate geführt. Auf dem Land kommt es immer häufiger zu Attentaten auf Bauern, Mitglieder indigener Gemeinschaften und politische Aktivisten. 

Aktivistin ist Ruby Castaño schon seit ihrer Jugend als sie im Alter von 17 Jahren die Unabhängige Landarbeitergewerkschaft der Meta unterstützte. Diese Gewerkschaft hat eine lange und tragische Geschichte. Sie wurde in einem riesigen Gebiet in der Region Meta gegründet, dessen landwirtschaftliche Flächen den Großgrundbesitzern gehören, die sich oftmals als Unterdrücker der landlosen Bauern aufspielen. Auch die Eltern von Ruby Castaño wurden Opfer dieses Systems. „Ich wurde in einem Land geboren, in dem es nichts gab, praktisch keine Bestrebungen und keinen Willen der Bauern, für ihre Rechte zu kämpfen, für den Zugang zu Land und für die Produktion, die ihnen die Selbstversorgung mit Lebensmitteln ermöglichen würde“, erzählt sie. 

Sie erinnert sich als Kind noch gut daran, wie sich ihre Eltern in den 1970er Jahren für diese Gewerkschaft eingesetzt haben, die das Land zu gleichen Teilen an die Bauern umverteilt hat. Mit Unterstützung der katholischen Kirche hatte die gleiche Gewerkschaft Schulen für die Bauernkinder wie Ruby eröffnet: „Die Werte, die uns in der Schule beigebracht wurden, waren Respekt vor dem Land und der Umwelt, aber auch das Wissen um die Rechte der Bauern.“ 

Natürlich unterstützte sie die Gewerkschaft und wurde schließlich zu ihrer regionalen Vizepräsidentin gewählt, später wurde sie ihre Generalsekretärin. Nachdem sie mehrfach Morddrohungen erhalten und mehrere Attentatsversuche überlebt hatte, sah sie sich 2006 gezwungen, zurückzutreten und nach Spanien ins Exil zu gehen. Aber jetzt ist sie zurück und leitet eine neue Vereinigung.

Die Aktivistin erhielt zahlreiche Morddrohungen und überlebte mehrere Attentatsversuche

Ruby Castaño forcierte die Gründung von ASOCATDAME zum Schutz der landlosen Bauern und förderte so die weitere Einigkeit. Sie ist auch eine Mutter, die sich für die Verteidigung von Frauen und deren Rechte einsetzt. „Die kolumbianische Regierung hat zwar 2016 ein Friedensabkommen mit der FARC-Guerilla unterzeichnet, aber die Situation vor Ort hat sich kaum verbessert“, beklagt sie und fügt hinzu, dass die Ermordungen lokaler Führer zugenommen haben. Rubys Kampf für ein würdevolles Leben der Menschen auf ihrem Land hat sich in einen Kampf für die Menschenrechte oder schlicht und einfach für das Recht auf Leben gewandelt. 

„Die Regierung hat ihre Verpflichtungen gegenüber den Bauern nicht eingehalten“, so Ruby. In der Tat kam es in der Zeit nach dem Konflikt zu einem Wiederaufflammen und einer Verschärfung der Gewalt. Hinzu kommt der fehlende politische Wille der Regierung, die Missstände zu beseitigen, aus denen Gewalt erwächst. Die Armut ist nach wie vor allgegenwärtig und die Ungleichheit zwischen den Großgrundbesitzern und den Millionen von Bauern, die in ihrer Existenz bedroht sind, war noch nie so groß. „Kolumbien ist ein Land, das reich an Biodiversität und fruchtbarem Land ist, und wir bauen Monokulturen für die Nahrungsmittelindustrie an, und das auf Kosten der Bauern. Dadurch werden sowohl die Bauern als auch die Umwelt bedroht“, verdeutlicht die Aktivistin. 

Trotz der aufreibenden Kombination aus einer kaum zu bewältigenden Menge an Arbeit und den lebensgefährlichen Risiken, die sie damit eingeht, hat Ruby Castaño nicht die Absicht, aufzugeben. Sie wüsste einfach nicht, wie das gehen sollte. „Es gibt viele, die in diesem Kampf ihr Leben gelassen haben. Auch für sie kämpfe ich und ich hoffe, dass ich nicht so enden werde wie sie. Es geht um Prinzipien im eigenen Leben. Indem wir den Kampf nicht aufgeben, uns nicht besiegt fühlen, ist es auch ein Kampf um unsere Würde. Und für Veränderungen im Land.“ 

Foto: @ Tanja Wol Sørensen