Shirin Ebadi: “Jeder ist für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich”

Shirin Ebadi: “Jeder ist für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich”

Dr. Shirin Ebadi ist eine iranische Anwältin, ehemalige Richterin und Menschenrechtsaktivistin. Am 10. Oktober 2003 wurde Dr. Ebadi mit dem Friedensnobelpreis für ihren wertvollen und progressiven Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, insbesondere für die Rechte von Frauen, Kindern und Flüchtlingen, ausgezeichnet. Sie war die erste Iranerin, die den Preis erhalten hat. Dr. Ebadis Preis wurde 2009 mutmaßlich von iranischen Behörden konfisziert, was die iranische Regierung allerdings später bestritten hat. Falls es stimmt, wäre sie die erste Person in der Geschichte des Nobelpreises, deren Preis von staatlichen Behörden gewaltsam entwendet wurde.

Sie sind im Bereich der Menschenrechte aktiv. Was ist Ihrer Meinung nach heute das drängendste Menschenrechtsproblem?

Das Problem ist, dass wirklich alle Menschenrechte von allen Menschen auf der Welt respektiert werden müssen. Jeder ist für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich. Regierungen, bürgerliche Institutionen und jede einzelne Person. Schauen Sie beispielsweise auf den Status von Flüchtlingen in der heutigen Welt. Betrachten Sie Flüchtlinge, die ein Land auf der Flucht vor Krieg betreten. Die Regierung muss ihnen helfen, die bürgerlichen Institutionen und die Bürger selbst sind alle an dieser Pflicht gebunden.

Humanitäre Institutionen haben versucht die Situation zu verbessern. Glauben Sie, sie haben hierbei Erfolg?

Ja, das denke ich. Auszeichnungen wie der Aurora-Preis erinnern uns daran, dass wenn Menschen nicht sensibel und responsiv gewesen wären, wären wir alle in eine überwältigende Grausamkeit fallen, die sich sehr weit auf der Welt verbreitet hätte und sogar zu einem Völkermord geworden wäre, wie dieser, den die Armenier durchgemacht haben. Hätte die Welt den Völkermord an den Armeniern beachtet, hätten wir wohl keine anderen Völkermorde erlebt, so wie diese, die in Afrika stattfanden, den Holocaust oder den, den die Palästinenser erlebten.

Was brauchen Ihrer Meinung nach moderne Frauen auf der Welt am dringendsten und wie können wir sicherstellen, dass sie das bekommen?

Leider sind Frauen überall auf der Welt Opfer von Diskriminierung und diese Diskriminierung nimmt verschiedene Formen an. Schauen Sie auf die Frauen, die aus patriarchalischen Communities kommen und wenn wir von patriarchalischer Community oder Kultur sprechen, meinen wir nicht die Geschlechterfrage, sondern eine Kultur, die das Konzept der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht akzeptiert. In dieser Kultur werden Frauen in ihren Familien unterdrückt und Demokratie wird abgelehnt. Je schlechter die Stellung einer Frau, desto weiter weg ist das Land von der Demokratie. Jedoch ist das Patriarchat verglichen mit der Situation vor 15 Jahren definitiv zurückgegangen.