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Das Geschenk der Hoffnung

Das Geschenk der Hoffnung

Fartuun Adan und Ilwad Elman leiten das Elman Peace and Human Rights Centre in Somalia. Seit Jahren setzen sich Mutter und Tochter für die Menschenrechte, den Schutz der Frauenrechte, die Friedensförderung und die Rehabilitation von Kindersoldaten ein. Ihr Mut, ihre Widerstandsfähigkeit und ihr unerschütterlicher Einsatz für die Menschen in Somalia haben Fartuun Adan und Ilwad Elman sowohl nationale als auch weltweite Anerkennung eingebracht. Sie wurden mit dem Gleitsman International Activist Award 2015 ausgezeichnet und 2017 als Aurora-Finalisten nominiert.

Fartuun Adan kam durch ihren Ehemann, Elman Ali Ahmed, erstmals mit Aktivismus in Berührung. Als Inhaber einer Autoreparaturwerkstatt war er ein Friedensaktivist und ein überzeugter Anhänger des Schutzes der Zukunft Somalias durch die Rettung seiner Kinder. Er war fest entschlossen, positive Veränderungen in seinem Land herbeizuführen - mit seiner engagierten Partnerin Fartuun an seiner Seite.

Mit seiner legendären Initiative Drop the Gun, Pick up the Pen unterstützte er gefährdete junge Menschen, die von militanten Gruppen rekrutiert wurden, indem er ihnen Bildungsmöglichkeiten bot. Die Warlords waren wütend über den Verlust wertvoller potenzieller Kämpfer und drohten Ahmed mehrfach, aber er weigerte sich, mit seiner Hilfe aufzuhören. Im Jahr 1996 wurde er in der Nähe des Wohnhauses seiner Familie erschossen. Der Fall wurde nie aufgeklärt.

Verzweifelt und getrieben von dem Wunsch, ihren Kindern ein sicheres Zuhause und eine bessere Zukunft zu bieten, wanderte Fartuun nach Kanada aus. Doch das Elend in ihrem Heimatland ließ sie nicht los. Sobald ihre Töchter alt genug waren, um auf sich selbst aufzupassen, ging sie im Jahr 2006 zurück nach Somalia. Denn ihr war klar, dass Tausende Kinder dringend ihre Hilfe brauchten. „In vielerlei Hinsicht hatte ich das Gefühl, dass auch diese Jungen und Mädchen meine Kinder waren. Und keine Mutter würde untätig zusehen, wenn ihre Kinder solchen Gräueltaten ausgesetzt wären“, betont Fartuun Adan in einem im TIME Magazin erschienenen Kommentar. Sie fand, es sei an der Zeit, das Vermächtnis ihres Mannes zu wahren und seine Arbeit fortzusetzen.

Als Fartuun nach Mogadischu kam, eröffnete sie das Elman Peace and Human Rights Centre in Andenken an ihren Mann. Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Zentrums steht die Unterstützung von Menschen, die am dringendsten Hilfe benötigen: Förderung der Bildung junger Menschen, Unterstützung von Opfern sexuellen Missbrauchs und Vermittlung von Fähigkeiten, die Frauen für eine eigenständige Lebensführung benötigen.

Im Jahr 2010 folgte Ilwad Elman ihrer Mutter nach Somalia. Für eine junge Frau, die mehrere Jahre in einem völlig anderen Umfeld gelebt hat, war dies ein schockierender Einschnitt. Sie hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits ein viel besseres Verständnis davon, warum ihre Mutter wieder zurück nach Somalia ging. Und sie war fest entschlossen, ihr zu helfen. „Als ich zu Besuch kam, hatte ich Angst und so viele Vorurteile, und ich wollte einfach nur noch wegrennen und mich wieder in Sicherheit fühlen. Aber die Menschen, denen meine Mutter half, hatten nicht diese Möglichkeit. Dies war einfach ihr Leben. Und ich wusste, ich musste ihr erlauben, ihnen zu helfen und sie dabei unterstützen“, erklärt Ilwad, die derzeit für die Gestaltung und Überwachung der Programme des Elman Peace and Human Rights Centre verantwortlich ist.

Ilwad Elman (Mitte) zog 2010 aus Kanada wieder zurück nach Somalia.

Nach der Nominierung als Finalisten für den Aurora-Preis 2017 reiste Fartuun nach Armenien, um am Aurora-Preis Wochenende teilzunehmen. Ilwad konnte nicht kommen, war aber im Geiste bei ihrer Mutter. „Meine Tochter konnte nicht hierher kommen, da wir bei den Verhandlungen über die Kindersoldaten ein Problem hatten, und sie musste dabei sein. Sie hatte sich so gefreut, hier zu sein, aber es ging leider nicht. Dennoch freuen wir uns sehr darüber, dass unsere Arbeit in Somalia Anerkennung findet. Das ist schwierig und riskant, aber wir haben uns dafür entschieden. Und wir brauchen die Unterstützung von jedem, der uns helfen kann“, bekräftigte Fartuun in ihrer Rede bei den Feierlichkeiten zur Verleihung des Aurora-Preises 2017.

Mutter und Tochter haben sich gemeinsam in ihre Arbeit gestürzt, um ehemaligen Kindersoldaten zu helfen und Überlebenden oder Vergewaltigungsopfern dringend benötigte Hilfe zukommen zu lassen. Ihre tägliche Arbeit birgt vielfältige Herausforderungen, wobei persönliche Gefahren und Unsicherheit nach wie vor an erster Stelle stehen. „Als ich zum ersten Mal nach Somalia kam, war es seltsamerweise etwas sicherer, denn man wusste zumindest, wo die Frontlinie verlief und welche Gebiete man meiden musste. Jetzt begeben wir uns blind hinaus“, erklärt Ilwad.

Fartuun Adan erlebt einen emotionalen Moment bei der Verleihung des Aurora-Preises 2017. 28. Mai 2017, Jerewan, Armenien.

Im vergangenen Jahr wurde der Weg dieser außergewöhnlichen Frauen von einer weiteren persönlichen Tragödie überschattet. Am 20. November 2019 starb Fartuuns Tochter und Ilwads Schwester Almaas Elman, die sich ebenfalls mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Frauenrechte und der Rehabilitation von Kinderopfern in Somalia beschäftigte, in Mogadischu, nachdem sie angeblich von einer verirrten Kugel getroffen worden waren.

Es ist kaum vorstellbar, was das für ein Schicksalsschlag für die Familie gewesen sein muss, aber dennoch haben sie durchgehalten. „Ihr Tod und der Tod meines Vaters sind definitiv nicht umsonst. Für mich persönlich gehörte es zum Trauerprozess, für einen Zweck zu leben und diesem zu dienen. Es gibt keinen anderen Weg, ihren Tod zu verarbeiten, als jeden Tag unser Leben zu leben und dafür zu sorgen, dass wir zu dem Ziel beitragen, für das auch sie gestorben ist. Man kann nicht einfach weitermachen, aber man kann nach vorne blicken“, so Ilwad.

Die COVID-19-Pandemie 2020 stellt eine zusätzliche Belastung für das Elman Centre dar, das nun auch das Bewusstsein für die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Krankheit schärft. „Es ist ganz anders in Somalia als an anderen Orten, wo man in den Nachrichten hört, dass man 20 Sekunden lang unter fließendem Wasser die Hände waschen soll. Die Menschen hier haben kein fließendes Wasser! Wir haben Berufsausbildungszentren, in denen wir jetzt Masken produzieren oder Handdesinfektionsmittel herstellen. Wir versuchen einfach, Grundlagen zu schaffen, damit die Menschen gegen die Ausbreitung kämpfen können“, stellt Ilwad fest und fügt hinzu: „Die größte Herausforderung besteht darin, den Menschen klarzumachen, dass man sich selbst schützen kann, wenn man diese Maßnahmen befolgt. Es war eine riesige öffentliche Aufklärungskampagne, die wir unternommen haben.“

Wie lange es auch immer dauern mag, bis ihre Vision Wirklichkeit wird, Fartuun Adan und Ilwad Elman sind gemeinsam voll und ganz dabei. Und laut Ilwad machen sie sich keine Illusionen darüber, dass ihnen ihre Arbeit viel abverlangt: „Wir wollen in langfristige Lösungen investieren: in Entwicklung, Verhaltensänderungen, das Infragestellen sozialer Normen. Die meisten der Menschen, die in den gleichen Bereichen wie wir arbeiten, wollen schnelle Ergebnisse erzielen, und wir wissen, dass sich die Wiedereingliederung und Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen nicht in einem rasch Wirkung zeigenden Projekt erfolgen kann, sondern seine Zeit braucht. Es ist ein langfristiges Engagement. Aber wenn wir zurückblicken und uns vor Augen führen, wo wir vor gerade einmal zehn Jahren standen und was sich in so kurzer Zeit alles geändert hat, dann wird klar, warum sich meine Mutter und ich auch weiterhin fokussiert und motiviert für die Sache engagieren.“

Seit mehr als drei Jahrzehnten wütet in Somalia der Bürgerkrieg, und viele Menschen sind in Verzweiflung geraten, weil sie das Gefühl hatten, es gäbe keine Zukunft für sie. Ein solch düsterer Horizont führte zu Wut und Gleichgültigkeit, was den Teufelskreis der Gewalt weiter anheizte. Aber Fartuun und Ilwad geben den bedürftigsten Somaliern eine zweite Chance und die Möglichkeit, ein besseres Leben zu führen.

Es ist mehr als Unterstützung – es ist das Geschenk der Hoffnung.