Isis mag gestürzt sein, aber ihr Vernichtungskrieg gegen die Jesiden war erfolgreich

Isis mag gestürzt sein, aber ihr Vernichtungskrieg gegen die Jesiden war erfolgreich

In dieser Woche jährt sich der Beginn des Völkermordes an den Jesiden – einer religiösen Minderheit – durch Isis in Syrien und im Irak. Viele der Gräueltaten gegen die Jesiden – insbesondere ihre Frauen und jungen Mädchen – sind zu verabscheuungswürdig und weitreichend, als dass man sie überhaupt erzählen könnte. Auch wenn der eigentliche Völkermord vielleicht beendet ist, ist dies nur das erste Kapitel der ganzen Herausforderung. Die Folgen an sich sind bitter und schmerzhaft.

Es war eine entsetzliche Tragödie über systematische sexuelle Gewalt und koordinierte militärische Verfolgung. Dschihadisten haben Tausende Männer niedergemetzelt und dann Tausende Frauen und Kinder zu den Sklavenmärkten von Isis gebracht, um sie dort zu tauschen und zu verkaufen.

Die Kämpfe in vielen Isis-Hochburgen sind inzwischen beendet. Es werden jedoch noch immer 2.900 Frauen und Kinder vermisst, und Tausende von jesidischen Frauen und Kinder, die unter diesem sadistischen Regime leben mussten, haben damit zu kämpfen, sich wieder in ihre Gemeinschaften einzugliedern.

Denn es besteht eine erhebliche Diskrepanz in der Frage, wie sich lokale und internationale Gemeinschaften darum bemühen, Überlebende des Völkermordes sowohl psychologisch als auch physisch angemessen zu assimilieren.

Ihre Narben auf dem Körper mögen deutlicher zu erkennen sein, aber die erlittenen psychischen Traumata haben weitaus gravierendere Folgen. Fehlende Rehabilitationsmaßnahmen und psychologische Betreuung erschweren es den 6.500 Frauen und Kindern, die von Isis gefangen genommen wurden, sich wieder angemessen in ihre Gemeinschaften zu integrieren.

Selbstverletzung, PTBS und schlechte psychische Verfassung belasten mehr als 80 Prozent der Frauen und Mädchen, die während des Konflikts in Gefangenschaft gehalten wurden.

Die psychischen Belastungen verschärfen sich nochmals durch die großen Herausforderungen, denen sie nach der Rückkehr gegenüberstehen. Viele von ihnen erfahren dann, dass sich andere Verwandte von ihnen noch immer in Gefangenschaft befinden. Ganze Gemeinschaften werden in erbärmliche Lager außerhalb ihrer Heimatregion vertrieben. Frauen, die körperlichen und sexuellen Missbrauch durchgemacht haben, werden geächtet. Jesidische Kinder, die von ihren Entführern einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, werden gemieden und erhalten keinen Zugang zu Bildung.

Die Folgen sind grotesk: Denjenigen, die es geschafft haben, Vergewaltigung, Folter und Völkermord zu überleben, werden die grundlegenden Instrumente für die Rehabilitation und den Neuaufbau ihres Lebens vorenthalten. Wir müssen die Überlebenden des Völkermordes an den Jesiden in die Lage versetzen, sich selbst und ihre Gemeinschaften erfolgreich wieder aufzubauen, damit ihre Generation nicht im Stich gelassen wird und ihr Schicksal nicht in Vergessenheit gerät.

Dies erfordert die Unterstützung von gemeinschaftlich geleiteten Initiativen für den Wiederaufbau von Schulen, den Zugang zu PTBS-Behandlungen und individuellen Gesundheitsversorgungsangeboten für Opfer konfliktbedingter sexueller Gewalt sowie die Bereitstellung von Fachwissen und Ressourcen zu den komplexen psychologischen Behandlungsmöglichkeiten, da die betroffenen Gemeinschaften in diesem Themenbereich über wenig oder keine Erfahrung verfügen.

Für die schwersten Fälle müssen wir geeignete Umsiedlungsprojekte vorsehen, damit diese Überlebenden den Rest ihres Lebens in Frieden leben können.

Während einer Befreiungsaktion zur Rettung jesidischer Zivilisten, die vor dem immer näher rückenden Isis fliehen mussten, stürzte unser Hubschrauber ab, und ich kam nur knapp mit dem Leben davon. Als ich in den Wrackteilen lag, mitten im Blutbad der Isis-Besatzung, wurde mir erst recht bewusst, was auf dem Spiel stand. Dieses Ereignis spornte mich noch mehr dazu an, mich mit all meinen Kräften dafür einzusetzen, die am stärksten von der Not betroffenen Menschen aus meiner Gemeinschaft zu retten. Heute, fünf Jahre nach diesen Ereignissen, wird mir rückblickend klar, dass die Flucht aus den Fängen der Entführer erst der Anfang eines langen Weges zurück zur Normalität war.

Wenn wir das bedauernswerte Defizit an psychologischer Betreuung für die Jesiden nicht beseitigen, laufen wir Gefahr, eine ganze Generation von Frauen und Kindern zu verlieren, die zwar die Gräuel des Völkermordes überlebt haben, aber an dessen Folgen zugrunde gehen werden. Die Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen Gemeinschaften ist Voraussetzung dafür, dass diese Menschen ein sicheres und erfolgreiches Leben führen können.

 

Mirza Dinnayi ist ein jesidischer Aktivist, der sich für die Opfer von Isis einsetzt und Hunderte von Frauen und Kindern während des Irakkriegs gerettet hat. Er ist einer von drei humanitären Persönlichkeiten, die auf dem ersten Aurora-Forum im Oktober dieses Jahres in Jerewan, Armenien, referieren werden.

Dieser Artikel erschien erstmals in The Independent.