Aurora Mardiganian

Aurora Mardiganian

Man kennt sie als die Jeanne d’Arc Armeniens, eine Frau, die unzählige Schrecken des Völkermordes durchlebte und sie dann heldenhaft in einem Buch und anschließend in einem Film verarbeitete. Durch ihre persönliche Lebensgeschichte erfuhr die Welt die Wahrheit.
 

 

Aurora Mardiganian wurde 1901 als Arschaluys Martikian geboren. Sie war drittes von acht Kindern eines erfolgreichen Landwirts und Seidenherstellers in Dersim, der heutigen türkischen Provinz Tunceli.

Sie starb im Alter von 92 Jahren in einem kalifornischen Pflegeheim nach einem Leben, das  schon früh von Verlusterfahrung, Grausamkeit, aber auch von Großherzigkeit gekennzeichnet war. Es waren diese Erfahrungen, die in ihr den Wunsch wachriefen, anderen zu helfen.   

Arschaluys war eine vielversprechende Schülerin und aufstrebende Geigerin.

Ihre Schwester war verlobt und ein Bruder lebte bereits in Amerika, als die Grausamkeiten von 1915 ihren Lauf nahmen. Ihr Vater und ein Bruder wurden vor ihren Augen getötet. Sie wurde zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern in die Syrische Wüste deportiert.

Für 85 US-Cent wurde Arschaluys in den Harem eines Stammeshäuptlings verkauft.

Sie konnte jedoch fliehen, wurde von Sklavenhändlern wieder eingefangen und floh erneut. Sie kam barfuß, halbnackt und ausgehungert in Erzurum an, das damals unter russischer Kontrolle war. Achtzehn Monate dauerte die Flucht über das Bergland von Dersim, wo sie sich in Höhlen und Wäldern versteckte und von dem lebte, was die Vegetation hergab. 

Versorgt wurde sie von amerikanischen Missionaren. 

Diese Großherzigkeit brachte sie dazu, sich ihrerseits um Hunderte von Waisen zu kümmern, die aus der Unterbringung bei Muslimen zurückgeholt worden waren.

Durch ihre persönliche Lebensgeschichte erfuhr die Welt die Wahrheit. 100 LIVES gedenkt ihrer und ehrt sie mit dem Aurora-Preis, der für ihre Aufopferung und Großzügigkeit nach ihr benannt worden ist. 

 

In New York wurde sie von einer armenischen Familie aufgenommen und versuchte über Zeitungsanzeigen ihren Bruder Vahan aufzuspüren. Er war noch vor den Massakern in die USA ausgewandert.  

Die Anzeigen zogen die Aufmerksamkeit der Journalisten auf sich. Ende 1918 veröffentlichten die Zeitungen in New York und Los Angeles die Geschichte von Arschaluys Mardiganian. Noch im Dezember desselben Jahres erschien ihr Buch unter dem Titel „Ravished Armenia“ (Geschändetes Armenien). Das Cover zeigt sie in armenischer Tracht. Über die nächsten zwei Jahrzehnte wurde das Buch mehrfach aufgelegt und verkaufte sich schätzungsweise 900.000 Mal, auch auf Spanisch, Niederländisch und Polnisch.

Noch im selben Jahr bereitete die Selig Polyscope Company einen Stummfilm vor, in dem Arschaluys selbst die Hauptrolle spielte. Der Regisseur des Films war Oscar Apfel. Um ihre Identität zu schützen, gab man ihr den Namen Aurora Mardiganian.  

„Ravished Armenia“ (auch als „Auction of Souls“, zu Deutsch: „Seelenauktion“ bekannt) hatte im Januar 1919 in Washington Premiere und war im Februar 1919 ein riesiges Gesellschaftsereignis im New Yorker Plaza Hotel.

Gezeigt wurde der Film daraufhin noch in 23 Bundesstaaten

auch im Ausland. Er erzielte einen Erlös in Höhe von 30.000.000 US-Dollar, der an 60.000 armenische Waisen im Nahen Osten ging.

Nach jeder Vorführung sprach sie stets mit Honoratioren. Jedoch wuchs der Stress mit jedem Mal, dass sie von ihren leidvollen Erinnerungen berichtete. Als der Film 1920 in Buffalo gezeigt wurde, fiel sie im Anschluss an die Vorstellung in Ohnmacht und blieb seither der Öffentlichkeit fern.

Hollywoods Hoffnungen, aus ihr einen Filmstar zu machen, waren dahin und der politische Gezeitenwandel hatte zur Folge, dass in den 1920er Jahren das Buch und der Film „Ravished Armenia“ allmählich aus dem Blickfeld verschwanden. Ob es noch eine vollständige Kopie des Films gibt, ist nicht bekannt. Aurora ging nach New York zurück und heiratete 1929 den armenischen Immigranten Martin Hoveian. 1931 brachte sie ihren Sohn Michael zur Welt. Glück war ihr aber nicht wirklich beschieden: Sie fand ihren Bruder nicht wieder, hatte Selbstmordgedanken und verlor nach dem Tod ihres Mannes den Kontakt zu ihrem Sohn.

Sie war außergewöhnlich widerstandsfähig und zudem in der Lage, nach allem, was sie erlitten hatte, viel Positives weiterzugeben. Dafür sei unser Gedenken an Aurora Mardiganian.

Die Geschichte wurde vom Forschungsteam der Initiative 100 LIVES verifiziert. 

Bilder mit freundlicher Genehmigung vom Armenischen Genozid Museum-Institut