Auf der 100-Jahr-Feier der Stiftung Near East Foundation am 28. Oktober in New York haben 100 LIVES und die Stiftung ein achtjähriges Stipendienprogramm angekündigt, das Kindern und jungen Menschen aus Konfliktregionen zugutekommen soll. Das Programm wurde gemeinsam von 100 LIVES und Near East Foundation entwickelt und bezeigt die Dankbarkeit der armenischen Gemeinschaft gegenüber Völkern des Nahen Ostens. Denn sie waren es, die vor 100 Jahren tausenden Menschen Obdach und Nahrung boten, nachdem sie durch den Völkermord zu Vertriebenen wurden.
Während der Massaker wurden Hunderttausende in Flüchtlingslagern und Waisenhäusern auf dem Gebiet der heutigen Länder Syrien, Libanon, Jordanien, Palästina, Israel und Ägypten verpflegt, eingekleidet und beherbergt. Allein das im Jahr 1922 in Aleppo eingerichtete Waisenhaus wurde das neue Zuhause von 5.000 Kindern, die vor allem aus der damaligen Provinz Kharberd vom Schweizer Missionar Jakob Künzler evakuiert worden waren.
Auch wurden eine Reihe von armenischen Dörfern im nördlichen Syrien gegründet, dem Land, das den größten Zustrom von armenischen Flüchtlingen während des Völkermordes zu verkraften hatte. Für die Entstehung dieser Dörfer setzte sich die dänische Missionarin Karen Jeppe ein und wurde von örtlichen Behörden und den Führern des arabischen Stammes der Anaza, den Paschas Hajim und Mjim unterstützt.
Auch der Libanon war eines der Länder, das armenische Flüchtlinge besonders willkommen hieß: Zehntausende von Armeniern kamen in Beirut, Zahle und weiteren Siedlungen unter. Die Stiftung Near East Foundation wurde als Amerikanisches Hilfskomitee für Armenien und Syrien gegründet, nachdem der amerikanische Botschafter Henry Morgenthau in seinen Berichten von Gräueltaten gegen die armenische Bevölkerung in der damals osmanischen Türkei geschrieben hatte. Es unterhielt Waisenhäuser in Antelias, Zouk Mikael, Jounieh und anderen Orten. Dank einer weiteren Missionarin aus Dänemark namens Maria Jacobsen kam es zur Gründung des berühmten „Bird’s Nest“ in Jbeil.
Ein weiteres Land, das armenischen Flüchtlingen eine sichere Zuflucht bot, war Ägypten. So wurde im Jahr 1915 ein riesiges Flüchtlingslager in Port Said errichtet für Armenier, die von der französischen Marine vom Musa Dağı (bekannt als Mosesberg) evakuiert worden waren. Diesem Flüchtlingslager ist es zu verdanken, dass 4.058 Armenier überlebten, darunter 1.563 Kinder. Nachdem Palästina 1917 unter britische Kontrolle gekommen war, entstanden auch dort Waisenhäuser für armenische Kinder, darunter 5.300 aus der damaligen Provinz Kharberd. Auch Jerusalem wurde zu einer wichtigen und sicheren Zuflucht für armenische Waisenkinder. Im Jahr 1923 schickte man 250 von ihnen von dort ins sowjetische Armenien, während man 40 nach Addis Abeba brachte, die dort das kaiserliche Orchester bildeten. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
100 Jahre danach bezeigen die Armenier dem arabischen Volk und anderen Völkern des Nahen Ostens ihre Dankbarkeit. Das von der Initiative 100 LIVES und der Stiftung Near East Foundation ins Leben gerufene Stipendienprogramm in Höhe von 7 Millionen US-Dollar bietet von Konflikten, Vertreibung und Armut betroffenen Kindern und jungen Menschen die Gelegenheit, an einer Bildungseinrichtung des UWC-Verbundes überall auf der Welt zu lernen und zu studieren, darunter auch das Institut im armenischen Dilidschan, einem gemischten internationalen Internat, an dem zurzeit Schüler aus über 60 Ländern leben und lernen.
Wie vor 100 Jahren, während des Völkermordes an den Armeniern, so auch heute sind Kinder die schwächsten unter den Opfern der Konfliktherde im Nahen Osten. Die meisten Kinder und jungen Menschen, die durch den Krieg und die damit einhergehende Armut vertrieben worden sind, haben keinerlei Zugang zu Bildung. Der Präsidentin des US-Fonds für UNICEF Caryl Stern zufolge, gibt es zurzeit mehr heimatlose Kinder als vor dem Zweiten Weltkrieg. Laut Schätzungen von UNICEF liegt die Zahl der nicht beschulten Kinder und jungen Menschen in Syrien derzeit bei über zwei Millionen. Hinzu kämen 700.000 syrische Flüchtlingskinder in den Nachbarländern.
„Wir sind stolz darauf, Eltern helfen zu können, die sich in einer Notlage befinden und nicht wissen, wie sie ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten sollen. Unsere Eltern und Großeltern boten uns eine bessere Zukunft und wir geben dies weiter“, sagt Ruben Vardanyan, einer der Gründer der Initiative 100 LIVES. „Mit Stolz geben wir die Zusammenarbeit mit der Stiftung Near East Foundation bekannt und freuen uns sehr auf die Auswahl der zukünftigen Stipendiaten.“
„Indem wir für den so entscheidenden Zugang zu Bildung sorgen, hoffen wir aufrichtig, diesen Kindern und jungen Menschen die Möglichkeiten für eine erfolgreiche Zukunft zu bieten, die sie verdienen. Dieser Aufgabe ist die Stiftung Near East Foundation in den vergangenen 100 Jahren gerecht geworden und hat eine hervorragende Arbeit geleistet“, sagt Armine Afeyan, die Tochter von Noubar Afeyan, einem weiteren Gründer von 100 LIVES.
Die Stiftung Near East Foundation arbeitet seit ihrer Gründung im Jahr 1915 mit Flüchtlingen als Reaktion auf den Völkermord an den Armeniern und hat seitdem Hilfs- und Entwicklungsprojekte in beinahe 50 Ländern organisiert. „Die Stiftung Near East Foundation feiert mit Stolz ihr einhundertjähriges Bestehen, indem sie einhundert vertriebenen und notleidenden jungen Menschen eine erstklassige Ausbildung zukommen lässt“, sagt der Vorsitzende der Stiftung Dr. Charles Benjamin. „Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit 100 LIVES begabten Schülern und künftigen Führungspersönlichkeiten die Gelegenheit zu bieten, sich hervorzuheben und erfolgreich zu sein.“
Verwaltet wird das Programm von der Stiftung „Scholae Mundi“, die den Schülern die Möglichkeit gibt, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen und sich mit Fragen des Gemeinwohls auseinanderzusetzen. Durch ihre Organisationen vor Ort wird die Stiftung Near East Foundation die UWC-Komitees tatkräftig bei der Auswahl zukünftiger Stipendiaten unterstützen und eigene Vorschläge unterbreiten. Die ersten von ihnen werden 2016 mit ihrer Ausbildung an einer der UWC-Bildungseinrichtungen beginnen.