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Zeit des Zusammenhalts

Zeit des Zusammenhalts

Als das Vereinigte Königreich von der Coronavirus-Pandemie heimgesucht wurde und Premierminister Boris Johnson im März den landesweiten Lockdown verkündete, war mir klar, dass ich etwas unternehmen musste, um meinen Patienten und meinen Kollegen zu helfen. Es war ein nationaler und internationaler Gesundheitsnotstand, und es herrschte große Angst. Ich wollte mit gutem Beispiel vorangehen, indem ich selbst auf der Intensivstation arbeitete, obwohl ich eigentlich ausgebildeter Chirurg bin. Meine Kollegen im Londoner St. Mary's Hospital wiesen mich auf eine Online-Schulung hin, und mit einer gewissen Beklommenheit zog ich Schutzkittel, Maske, Gesichtsschutz und Handschuhe an und begann an ihrer Seite zu arbeiten.

Wir hatten alle Hände voll zu tun, um uns um unsere Patienten zu kümmern und uns gegenseitig zu unterstützen. Die ganze Erfahrung war ein großer Gleichmacher im Krankenhaus. Die Pflegekräfte waren echte Helden. Diese Pandemie hat auf der ganzen Welt schreckliches Leid verursacht. Aber wie bei allen Krisen hat sie uns zusammengebracht und uns an unsere gemeinsame Menschlichkeit erinnert.

Die Aurora Humanitarian Initiative tut genau das – sie erinnert uns an unsere gemeinsame Menschlichkeit, bringt Menschen zusammen und verändert die Art und Weise, wie wir Bedürftigen auf der ganzen Welt humanitäre Hilfe zukommen lassen. Heute sind ihre Anstrengungen mehr denn je erforderlich, um auf die weltweite Verbreitung von COVID-19 zu reagieren, und ich bin stolz darauf, ein Teil davon zu sein.

Der Name der Initiative geht auf Aurora Mardiganian zurück, eine junge Überlebende des Massakers von 1915, die geflohen ist, um ihre Geschichte in Wort und Schrift, auf der Bühne und im Film zu erzählen und dazu beizutragen, die Welt auf den Völkermord aufmerksam zu machen. Ihre Entschlossenheit, als Zeugin zu berichten, und ähnliche Schilderungen über den Mut und die Wandlungsfähigkeit ihrer Mitflüchtlinge inspirierten Noubar Afeyan, Vartan Gregorian und Ruben Vardanyan dazu, 100 LIVES – das erste Projekt der Aurora Humanitarian Initiative – im Jahr 2015 ins Leben zu rufen.

Die ursprüngliche Vision – die Geschichten der Überlebenden und der mutigen Menschen zu erzählen, die sich in der Stunde der Not für sie eingesetzt haben – hat inzwischen Hunderte Geschichten ans Licht gebracht, die in sechs Sprachen übersetzt wurden und Leser auf der ganzen Welt inspiriert haben. Sie führte auch zur Bewegung der „Gelebten Dankbarkeit“, mit der Menschen in die Lage versetzt werden sollen, denen zu helfen, die dringend humanitäre Hilfe benötigen. Es war nicht genug, „Danke“ zu sagen, es wurde ein größeres Engagement angestrebt.

Von Anfang an wollten die Aurora-Mitbegründer die Initiative universell gestalten. Zusammen mit verschiedenen namhaften Persönlichkeiten, wie Friedensnobelpreisträgern, ehemaligen Staatschefs und weltweit angesehenen Philanthropen, darunter der verstorbene Menschenrechtsaktivist und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel, gründeten sie die Auswahlkommission des Aurora-Preises, um die Helden von heute dabei zu unterstützen, dass sich die Tragödien der Vergangenheit niemals wiederholen.

Im Jahr 2019 hatte ich die große Ehre, zum Vorsitzenden dieser Kommission ernannt zu werden, deren Expertise unbestritten ist. Unsere Aufgabe, unter so vielen verdienstvollen Kandidaten die Aurora-Finalisten und -Preisträger auszuwählen, ist eine Ehre und ein Privileg zugleich, jedoch auch eine große Verantwortung. Jedes Jahr werden Hunderte außergewöhnliche Kandidaten nominiert, und wir erfahren Geschichten von bewundernswertem Mut, Engagement und Einfluss.

So kümmerte sich beispielsweise Marguerite Barankitse, die Aurora-Preisträgerin 2016, während der Jahre des Bürgerkriegs in Burundi um Tausende Waisen und Flüchtlinge. Dr. Tom Catena, der Preisträger 2017, rettete als einziger Arzt, der dauerhaft in den vom Krieg verwüsteten Nuba-Bergen des Sudan arbeitete, Tausende von Leben.

Diese Helden streben nicht nach Anerkennung, aber sie haben sie verdient. Aurora würdigt ihr Leben und Werk, indem besondere Veranstaltungen in Armenien durchgeführt werden. Im Jahr 2018 fand die Aurora-Preisverleihung in der Morgendämmerung in Khor Virap statt. Unter dem Titel „Aurora: Förderung der Menschlichkeit“ hatten der Zeitpunkt und der Ort der Veranstaltung einen symbolträchtigen Charakter. Als die Sonne über dem Berg Ararat aufging, versammelten sich die Gäste in einem Kreis, um den traditionellen armenischen Volkstanz Kochari zu tanzen, der in Armenien seit über tausend Jahren fester Bestandteil von Feierlichkeiten ist.

In diesem Jahr wird das fünfjährige Bestehen der Aurora-Initiative gefeiert. Bis heute hat sie 28 Projekte in 16 Ländern unterstützt, von denen 950.000 schutzbedürftige Menschen profitierten und immer noch profitieren. Und mit der #AraratChallenge-Bewegung haben diejenigen eine zweite Chance erhalten, die sie dringend benötigen. Zwar weniger offensichtlich, aber nicht minder bedeutsam, hat sie dazu beigetragen, einen sanften Wandel in der armenischen Mentalität herbeizuführen. Anstatt uns gewohntermaßen als Opfer zu sehen, was wir bereits zu lange getan haben, sehen wir uns heute als Helfer derjenigen, denen es weniger gut geht als uns selbst, und wollen damit die Retter unserer Vorfahren ehren.

Bei der Gründung der Aurora Humanitarian Initiative verpflichteten sich die Mitbegründer, die Initiative zum Gedenken an die acht Jahre des Völkermordes an den Armeniern ebenso acht Jahre lang von 2015-2023 aufrechtzuerhalten. Doch es liegt in unseren Händen, ihr Vermächtnis zu verlängern. Stillstand bedeutet Rückschritt, und anlässlich des fünfjährigen Bestehens rufe ich alle Armenier auf der ganzen Welt auf, sich dieser Bewegung anzuschließen und ihre Bemühungen zu unterstützen. Wenn es jemals einen Zeitpunkt gegeben hat, unser Volk zu vereinen, um zur Verwirklichung unserer Vision beizutragen, dann ist dieser jetzt gekommen.

Professor Lord Darzi of Denham, OM, ist Chirurg, Mitglied des britischen Oberhauses und Direktor des Institute of Global Health Innovation am Imperial College London. Von 2007 bis 2009 war er Staatsminister im Gesundheitsministerium in der britischen Labour-Regierung.

Dieser Kommentar erschien erstmals in The Armenian Mirror-Spectator.