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Die Verleihung des ersten Aurora-Preises

Die Verleihung des ersten Aurora-Preises

Die Verleihung des ersten Aurora-Preises fand am 24. April im Karen-Demirchyan-Sport- und Konzertzentrum in der armenischen Hauptstadt Jerewan statt. Bereits der Eingangsbereich des Veranstaltungsortes war wunderschön dekoriert mit antiken Handschriften. Die eintreffenden Gäste wurden zu den Klängen eines Sextetts mit Erfrischungen willkommen geheißen.
 

Den Auftakt bildet ein herzzerreißender Film über Aurora Mardiganian, nach der wir unseren Preis benannt haben. Die kraftvolle Collage aus 100 Jahre alten Fotografien und Filmausschnitten zeigt eindrucksvoll, wie die osmanische Regierung mithilfe willfähriger Beamter und Soldaten einen Völkermord an den armenischen Untertanen ihres Reiches verübte. Zusammen mit Skizzen, Zeichnungen und Animationsszenen entstand so die ergreifende Überlebensgeschichte einer jungen Frau und ihrem anschließenden Kampf, die Welt durch ihren Film „Geschändetes Armenien“ auf das Leid der Armenier aufmerksam zu machen. Regisseur Eric Nazarian gelang ein Werk über Menschen, die trotz der Gefahr für das eigene Leben andere vor dem sicheren Tod retteten. Sie nahmen Flüchtlinge und Überlebende bei sich auf und gewährten ihnen Schutz.

„Im Namen der Überlebenden des Völkermordes und aus Dankbarkeit gegenüber ihren Rettern feiern wir mit dem Aurora-Preis zur Förderung der Menschlichkeit die Kraft des menschlichen Geistes, der angesichts großer Not zu handeln gebietet. Jeder, egal wo, kann den Preis bekommen“, hört man den Erzähler sagen. „Wir würdigen all diejenigen Menschen, die sich dafür einsetzen, dass auch andere ein menschenwürdiges Leben haben, Menschen, die andere inspirieren, es ihnen gleich zu tun.“ Untermalt wurde der Film unter anderem von einem Lied mit dem Titel „Aurora’s Dream“, das Serj Tankian eigens für die Preisverleihung komponiert und produziert hat.

 

Menschenrechtler von Rang und Namen sind zur Verleihung des ersten Aurora-Preises im Karen-Demirchyan-Zentrum in der armenischen Hauptstadt Jerewan zusammengekommen.

Weiter geht es im Programm mit einer Vorstellung von Ballet 2021 unter Leitung des Choreografen Roudolf Kharatian. Das Stück mit dem Titel „Zwei Sonnen“ erzählt eine Geschichte, die auf dem Buch der Klagen von Grigor Narekazi basiert. Er war ein armenischer Mönch und Schriftsteller aus dem Königreich Vaspurakan im 10. Jahrhundert. Das Buch ist Zeugnis für den kulturellen Beitrag, den das armenische Volk im Laufe seiner Geschichte geleistet hat. Ihren Höhepunkt findet die Vorstellung mit der Enthüllung der Aurora-Preis-Skulptur durch einen der Tänzer. Dirigent Sergey Smbatyan und das staatliche Jugendorchester Armeniens liefern die Musik.

 

Die Vorstellung der Stiftung Ballet 2021 bildet den Auftakt zur Verleihung des ersten Aurora-Preises zur Förderung der Menschlichkeit

Journalist und Schriftsteller David Ignatius und Opernsänger Hasmik Papian führen als Moderatoren gemeinsam durch den Abend und begrüßen die Gäste. Zu stehenden Ovationen kam es, als die beiden Schavarsch Karapetjan ankündigten, der wie kaum ein anderer heute für den Alltagshelden steht, der auch im Angesicht von Gefahr andere rettete.

 

          Die von Manvel Matevosyan entworfene Skulptur des Aurora-Preises wird vorgestellt

Im Anschluss bitten die Moderatoren Joyce Barnathan vom Internationalen Zentrum für Journalisten auf die Bühne, die Rukmini Callimachi von der New York Times den ersten Preis für journalistische Integrität überreicht. Zunächst informiert ein kurzer Film über die Arbeit der Preisträgerin, die von Gräueltaten der Terrorgruppen ISIS und Al-Kaida sowie dem schrecklichen Leid der Jesiden berichtet. Darin sagt sie, es sei ihr Ziel, Licht ins Dunkel einer jeden Geschichte zu bringen, von der sie berichte. Dann betritt die Preisträgerin selbst die Bühne und richtet folgende Worte ans Publikum: „ Ich fühle mich sehr geehrt und bin tief bewegt, diesen Preis zu bekommen. Ich möchte den vielen Mitarbeitern des Internationalen Zentrums für Journalisten, von 100 LIVES und dem Aurora-Preis danken. Ich lege mein ganzes Herzblut in meine Reportagen und teile sie danach mit der Welt, in deren Hände ich sie dann lege.“ Nun betreten zwei jesidische Geschwister, die als Flüchtlinge in Armenien leben, die Bühne und danken der Preisträgerin für ihre Arbeit, mit der sie das Leid der Jesiden öffentlich macht.

 

Rukmini Callimachi, die Gewinnerin des ersten Preises für journalistische Integrität vom Internationalen Zentrum für Journalisten in Zusammenarbeit mit dem Aurora-Preis

Es folgt eine Hommage an den verstorbenen Kirk Kerkorian, einen erfolgreichen Geschäftsmann mit großem Herz. Dr. Eric Esrailian, leitender Produzent von Survival Pictures, einer von Kirk Kekorian gegründeten Filmgesellschaft, betritt die Bühne und sagt: „Auch ich möchte den Organisatoren und Gründern des Aurora-Preises dafür danken, dass sie Armenien an diesem Wochenende zum Zentrum des weltweiten humanitären Dialoges gemacht haben.“ Im Anschluss stellt Dr. Eric Esrailian den Trailer zum neuesten Film von Survival Pictures mit dem Titel „Das Versprechen“ vor, der von einem frisch verliebten Paar inmitten der Schrecken des Völkermordes handelt.

Als nächstes spielt das Orchester die „Sinfonie mit der Glocke“, die vom bekannten armenischen Komponisten Aram Chatchaturian mitten im Zweiten Weltkrieg geschrieben wurde. Zur Musik werden Projektionen von Soldaten gezeigt, die vor kurzem bei den viertätigen Kampfhandlungen in Berg-Karabach ums Leben kamen.

 

 

Vartan Gregorian, Mitgründer von 100 LIVES, neben Leymah Gbowee, Mitglied des Auswahlkomitees, und Syeda Ghulam Fatima, Finalistin für den Aurora-Preis 

Kurz bevor die erste Finalistin die Bühne betritt, erzählt David Ignatius eine Geschichte, die er laut eigener Aussage nie in einer Zeitung veröffentlichen könnte. Es ist eine Fabel über Himmel und Hölle: Er beschreibt die Hölle als einen Raum mit einem Tisch voller Essen in der Mitte, um den hungernde Menschen mit sehr langen Löffeln sitzen, zu lang, um davon zu essen. Im Himmel sieht es beinahe genauso aus, mit dem kleinen Unterschied, dass die Menschen satt und fröhlich sind, weil sie einander füttern. „Himmel und Hölle sehen gleich aus, es liegt an uns, was wir daraus machen, ob wir teilen und zusammenarbeiten oder nicht“, sagt David Ignatius.

Nun bitten die Moderatoren den Mitgründer von 100 LIVES und Präsidenten der Carnegie Corporation in New York Dr. Vartan Gregorian sowie die Nobelpreisträgerin Leymah Gbowee auf die Bühne. Dr. Vartan Gregorian informiert, dass 186 Nominierungen für den Aurora-Preis aus 26 Ländern eingereicht worden seien. Er legt dar, wie die Nominierungen geprüft und die Finalisten ausgewählt wurden. Schließlich zeigt er eine Videobotschaft des Holocaustüberlebenden und Menschenrechtsaktivisten Elie Wiesel. „Was wäre die Gesellschaft, was die Kultur ohne die Erinnerung? […] So viele Armenier hätte man damals retten können, retten sollen. […] Wer kann schon sagen, wie viele Menschen morgen getröstet werden müssen, wenn wir uns für sie nicht einsetzen?“, fragt Elie Wiesel.

Anschließend stellt Leymah Gbowee die Generalsekretärin der Pakistanischen Befreiungsfront für Schuldknechte Syeda Ghulam Fatima vor. Der Höhepunkt ihrer Videogeschichte ist eine nächtliche Befreiungsmission, dank derer eine Familie wieder zusammengeführt werden konnte. Möglich war dies nur durch die Bestechung von Beamten. Am Ende des kurzen Videos erfährt man mehr über vier der Geretteten und die Zuschauer sind den Tränen nahe.

 

 

Michela Catena, die Nichte des Finalisten Dr. Tom Catena, nimmt die Auszeichnung im Namen ihres Onkels in Empfang

Auch Syeda Ghulam Fatima kann die Tränen kaum zurückhalten, als sie die Bühne betritt, um die Auszeichnung entgegenzunehmen. „Als ich vor 36 Jahren den Kampf aufnahm, waren meine eigenen Landsleute gegen mich. Sie wollten mich töten, um mich aufzuhalten. […] Doch ich bin hier, mit Aurora als Quell der Inspiration. Sie lebt und lang lebe sie! Gemeinsam werden wir die Welt verändern. Wir werden eine Welt erleben, in der es keinen Platz gibt für Sklaverei, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit. Vielen Dank, ich danke Ihnen allen sehr.“ Anschließend bittet Syeda Ghulam Fatima das Publikum um einen Moment des stillen Gedenkens für all die Opfer, die nicht gerettet werden konnten.

Als nächstes spricht die ehemalige UN-Kommissarin für Menschenrechte und Ex-Präsidentin Irlands Mary Robinson in ihrer Videobotschaft über die Finalisten: „Ich war tief bewegt. Es war etwas ganz Besonderes für mich, Teil des Auswahlkomitees zu sein und die vier Finalisten und Finalistinnen für ihre Leistungen würdigen zu dürfen.“ 

Bei der Vorstellung des zweiten Finalisten erzählt Hasmik Papian die Geschichte von den Seesternen, die von der Flut an den Strand gespült wurden. Ein Junge kam vorbei und warf einen nach dem anderen zurück ins Wasser. „Es gibt Millionen von Seesternen. Was du tust, bringt nichts“, sagte der Freund des Jungen. „Diesem Seestern aber schon“, entgegnete der Junge und warf den Seestern, den er gerade in Händen hielt, zurück ins Wasser. Die weisen Worte des Jungen blieben nicht ungehört: Alle seine Freunde taten es ihm nun nach. „Es sind die kleinen Schritte, durch die wir Gutes auf der Welt tun“, sagt David Ignatius und bittet den Ex-Präsidenten der International Crisis Group und ehemaligen australischen Außenminister Gareth Evans sowie die erste Richterin im Iran und Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi auf die Bühne, damit sie die zweite Auszeichnung an Dr. Tom Catena überreichen können. „Die Gründer können sehr überzeugend sein, doch es brauchte gar nicht viel Überredungskunst, um die neun Mitglieder des Auswahlkomitees aus allen Teilen der Welt zur Teilnahme zu bewegen“, sagt Gareth Evans und vergleicht den Aurora-Preis mit dem Nobelpreis. „Der Preis ist eine ständige Erinnerung, denn dank seiner bleibt der Völkermord an den Armeniern im Gedächtnis der Öffentlichkeit, obwohl viele ihn lieber aus diesem gelöscht sähen.“

Mithilfe eines Übersetzers stellt Shirin Ebadi die Geschichte von Dr. Tom Catena vor. „Er ist die letzte Hoffnung von Menschen, die unter schrecklichen Gräueltaten zu leiden haben. Trotz der Gefahr für das eigene Leben bleibt er vor Ort und weigert sich, die Menschen im Stich zu lassen“, sagt sie. Dr. Tom Catena ist der einzige Chirurg in einem Gebiet, in dem 750.000 Menschen leben. Deshalb war es ihm nicht möglich, persönlich zur Preisverleihung zu erscheinen, doch er schickt diese Nachricht über Skype. Während der Aufnahme wird der Arzt in den Operationssaal gerufen, um weitere Opfer zu versorgen, die der andauernde Konflikt im südlichen Sudan fordert. Im Namen ihres Onkels nahm die geachtete Umweltschützerin Michela Catena die Auszeichnung in Empfang.

 

Finalist für den Aurora-Preis Pater Bernard Kinvi neben dem Mitgründer von 100 LIVES Noubar Afeyan

Es folgt eine Parabel über einen gutaussehenden jungen Mann, der sich damit brüstet, das schönste Herz zu haben, ohne Delle oder Kratzer. Doch ein Junge sagte, das Herz seines Großvaters sei schöner: ein altes Herz mit Wunden, in dem kleine Stücke fehlten. „Dein Herz sieht vollkommen aus, doch ich würde es nie gegen mein eigenes eintauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe geschenkt habe, einen kleinen Teil meines Herzens. Und diese Menschen gaben mir einen Teil ihres Herzens, um die Lücken in meinem zu füllen.“ Der junge Mann gibt dem Großvater schließlich einen kleinen Teil seines Herzens. Obwohl dieses jetzt nicht mehr vollkommen ist, findet er es nun doch viel schöner. 

Die ehemalige UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechtsverteidiger Hina Jilani und Noubar Afeyan, Mitgründer von 100 LIVES und geschäftsführender Partner von Flagship Ventures, betreten die Bühne, um den dritten Finalisten vorzustellen. Noubar Afeyan erzählt von den beiden deutschen Bahnmitarbeitern, die seinen Großvater vor dem Tod im Völkermord retteten. „Ein schöner Beweis für den menschlichen Geist, dem wir verpflichtet sind und den wir heute hier feiern“, sagt er. Aufgrund der unsicheren Lage in der Zentralafrikanischen Republik konnte kein Film über die Arbeit von Pater Bernard Kinvi gedreht werden. Daher wird ein Zusammenschnitt von Archivmaterial und ein Videointerview mit dem katholischen Priester gezeigt, der fest daran glaubt, dass nur die Liebe den Hass überwinden kann. Seine kurze Dankesrede hielt er auf Französisch. „Ich fühle mich sehr geehrt, heute mit Ihnen allen hier sein und gemeinsam die Liebe feiern zu dürfen“, sagt er.

In der anschließenden Videobotschaft spricht Oscar Arias, Mitglied des Auswahlkomitees und zweifacher Präsident von Costa Rica: „Das größte Geschenk, das ein Mensch einem anderen machen kann, ist das Geschenk der Hoffnung. Dieser Preis hat mir nicht einen, nicht zwei, sondern unzählige Gründe für Hoffnung gegeben.“ Er schließt mit den Worten, dass er sich wünsche, Menschenrechtler würden in Armenien dieselbe Hoffnung für die Zukunft finden, die sie ihm gegeben hätten. Es folgt eine zu Herzen gehende Darbietung von Ko-Moderatorin Hasmik Papian, die mit ihrer kristallklaren Sopranstimme „Lullaby“ von Barsegh Kanachian vor der Projektion des Berges Ararat singt.

 

 

                         Hasmik Papian singt „Lullaby“ von Barsegh Kanachian

Im Anschluss stellt Ruben Vardanyan, Mitgründer von 100 LIVES und dem Aurora-Preis, die vierte und letzte Finalistin vor: Marguerite Barankitse, „Mutter tausender Kinder“. Nun betritt der bekannte Schauspieler und Ko-Vorsitzende des Auswahlkomitees George Clooney die Bühne und begrüßt Ruben Vardanyan beschwingt als seinen Freund „Matt Damon“. „Du siehst heute aber gut aus“, sagt er zu ihm. Da Armenier laut George Clooney gerne einen Toast auf jemanden ausbringen, bringt er einen auf die drei Gründer von 100 LIVES aus, die seiner Meinung nach das Richtige tun. „Nicht Selbstverteidigung, nicht einfach Krieg, sondern die bewusste Vernichtung eines ganzen Volkes - das widerfuhr den Armeniern vor 101 Jahren und hat sich seitdem auf der ganzen Welt wiederholt: Deutschland, Kambodscha, Ruanda, Bosnien. […] Ich habe gesehen, wozu Menschen in ihrer dunkelsten Stunde imstande sind. Doch ich habe auch etwas anderes gesehen, etwas, das viel stärker ist als der Hass. Ich habe Mut und Güte gesehen, unglaubliche Taten der Liebe. Heute Abend feiern wir die besten Beispiele dafür.“ George Clooney erinnert an den Überlebenskampf seiner Familie während der Großen Hungersnot in Irland. „Indem wir die Finalisten und Finalistinnen würdigen, würdigen wir die anderthalb Millionen Menschen, die vor 101 Jahren ihr Leben verloren in einer Tragödie, die wir als das bezeichnen wollen, was sie war: ein Völkermord an den Armeniern. Wir stehen heute hier, weil es Menschen gab, die nicht wegschauten, als wir Hilfe brauchten“, sagt George Clooney und erinnert an die Worte Adolf Hitlers, der fragte, wer heute noch von der Vernichtung der Armenier spreche. Die Antwort darauf lässt nicht lange auf sich warten: „Die ganze Welt, und nicht weniger!“

Als Ruben Vardanyan an das Mikrofon tritt, spricht er über die positiven Entwicklungen im Armenien dieser Tage und hofft, beim nächsten Mal darauf einen Toast ausbringen zu können. „Ich stehe heute vor Ihnen, weil vor langer Zeit ein Fremder meinem Großvater das Leben rettete“, sagt er und vergleicht Marguerite Barankitse mit Maria Jacobsen, einer dänischen Missionarin, die tausende Waisenkinder während des Völkermordes rettete. „Heute ist für mich persönlich ein sehr emotionaler Tag, weil es der Traum von Noubar, Vartan und mir war, diesen Preis in Armenien möglich zu machen, denn wir wissen nur allzu gut, wie viel Schmerz der Völkermord verursacht hat, wie viel Schmerz es verursacht, seine 18-jährigen Kinder in Arzach zu verlieren, wie schwer es ist, die Gewalt um uns herum zu ertragen“, sagt Ruben Vardanyan. Es folgt ein kurzer Film über die Arbeit von Marguerite Barankitse und das Maison Shalom, in dem Menschen zu Wort kommen, die der mutigen und durchsetzungsstarken Frau ihr Leben verdanken. „Sie begruben uns, doch sie wussten nicht, dass wir die Saat waren“, sagt Marguerite Barankitse in dem Film. 

Der Ko-Vorsitzende des Auswahlkomitees George Clooney gratuliert Finalistin Marguerite Barankitse

Als Marguerite Barankitse die Bühne betritt, sagt sie, der Preis sei der Sieg der Liebe über den Hass. „Als ich heute Morgen an der Gedenkveranstaltung in Jerewan teilnahm, fiel mir auf, dass der 24. April auch für mich eine Bedeutung hat, denn an genau diesem Tag musste ich vor einem Jahr aus Burundi fliehen.“ Anschließend zitiert sie die letzten Worte eines Liedes ihres Freundes Charles Aznavour. Übersetzt heißt es: „Ein Hoffnungsschimmer, eine Flamme, der Wunsch, dein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und zu blühen, du mein Armenien, mein Hayastan.“ „Ich danke dem armenischen Volk für den Mut und die Kraft zu glauben, dass ich vielleicht eines Tages in mein Land zurückkehren und unsere Nationalhymne singen werde“, sagt Marguerite Barankitse.

           Mitgründer von 100 LIVES Ruben Vardanyan und die vier Finalisten und Finalistinnen

Nach der tief ergreifenden Rede versammeln sich die vier Finalisten und Finalistinnen sowie die Mitglieder des Auswahlkomitees auf der Bühne und warten auf die Bekanntgabe, wer den ersten Aurora-Preis gewonnen hat. Ruben Vardanyan nutzt die Gelegenheit, allen zu danken, die 100 LIVES und den Aurora-Preis erst möglich gemacht und ihren Beitrag geleistet haben. Er merkt an, dass zum ersten Mal seit 60 Jahren an einem 24. April die Sonne in Jerewan scheine. „Gott steht an unserer Seite. Er unterstützt, was wir hier tun“, sagt er. „Armenien wird sich erinnern, und wir werden fordern, doch wir sind auch dankbar und geben zurück.“

Nun ist es an der Zeit, dass George Clooney den Umschlag mit dem Namen des Preisträgers oder der Preisträgerin öffnet: Es ist Marguerite Barankitse. Als Erste bekommt sie den mit 100.000 Dollar dotierten Preis. Tief bewegt gibt die Preisträgerin die Organisationen bekannt, an die sie die Auszeichnung in Höhe von einer Million Dollar verteilen wird, die sie mit dem Preis erhält. Zur Überraschung des Publikums versprechen die drei Gründer den Finalisten und Finalistinnen jeweils 25.000 Dollar zusätzlich. Nun werden die Vertreter der drei Organisationen auf die Bühne gebeten, die Marguerite Barankitse ausgewählt hat: Veronique Peterbroeck Mairlot für die Stiftung Jean-François Peterbroeck und Patrick Godar für die Bridderlech-Deelen-Stiftung Luxemburg sowie die Stiftung des Großherzogs und der Großherzogin von Luxemburg.

 

         Marguerite Barankitse nimmt den ersten Aurora-Preis von George Clooney entgegen

Nachdem Veronique Peterbroeck Mairlot den Würdenträgern im Publikum gedankt hat, tritt Patrick Godar ans Mikrofon und sagt: „Es ist eine große Ehre für [diese Stiftungen], dass Maggie den Aurora-Preis bekommen hat. Wir sind dankbar und wissen die Entscheidung zu schätzen. Vielen Dank für diesen großzügigen Akt im Namen der Menschlichkeit. Wir möchten allen vier Finalisten und Finalistinnen gratulieren, Syeda Ghulam Fatima, Pater Bernard Kinvi, Dr. Tom Catena und Maggie. Wir haben größten Respekt vor eurem Engagement und bewundern euch.“

Nun übernimmt wieder Veronique Peterbroeck Mairlot und spricht über die Arbeit der Preisträgerin: „Maison Shalom, Maggie, das ist eine lange Geschichte. Zunächst ist es die Geschichte einer tiefen zehnjährigen Freundschaft zwischen Menschen. Als nächstes eine Geschichte von Mut und Engagement, die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau. Seit 1993 widmet sich Maggie oft unter Gefahr für das eigene Leben den tausenden Waisen, die Opfer von Gewalt in einem Bürgerkrieg wurden, der ihre Heimat verwüstet hat und leider noch immer verwüstet. Durch Maison Shalom hat Maggie tausende gerettet, gibt Hoffnung und versöhnt Kinder verschiedener Volksgruppen miteinander, die alles verloren haben. Maison Shalom ist auch die Geschichte einer Botschaft: einer Botschaft von Vergebung, Versöhnung und Frieden. Einer Botschaft, die Hoffnung macht und eine neue Generation junger Menschen hervorbringt, die Vergebung und Respekt über den ethischen und kulturellen Hintergrund hinaus gelehrt wurden. Und was Maggie selbst betrifft, es ist die Geschichte einer Frau, die Liebe schafft, wo andere Hass säen, die auch im Angesicht von Gewalt und Tod neue Möglichkeiten eröffnet, die Liebe und Kreativität mit Mut und Fortschritt vereinen. Zuletzt, Maggie, ist Maison Shalom die Geschichte eines Landes, Burundi, in dem der Hass nicht siegen wird. Es erfüllt uns mit Stolz, ein Teil dieser erstaunlichen Geschichte zu sein.“

Patrick Godar schließt mit einem Verweis auf den Status quo: „Seit April 2015 wird Burundi erneut von einer politischen Krise erschüttert, die Unsicherheit im Land ist groß. Angesichts dieser Entwicklung musste Maggie nach Ruanda fliehen und führt trotz aller Schwierigkeiten ihren Kampf für Hoffnung von dort aus fort. In Ruanda ist Maison Shalom offiziell als internationale Nichtregierungsorganisation anerkannt und kümmert sich fortan verstärkt um Frauen und Kinder. Wir sind Maggie nach Ruanda gefolgt und werden ihr auch in Zukunft überall hin folgen. […] Wir möchten erneut den drei Männern danken, die den Aurora-Preis ins Leben gerufen haben. Er ermutigt uns alle, das Wagnis einzugehen und ein Licht in der Dunkelheit zu sein.“

 

                    Der legendäre Dichter, Komponist und Sänger Charles Aznavour

Im Anschluss bittet Ruben Vardanyan den großartigen Charles Aznavour auf die Bühne, der folgende Worte an das Publikum richtet: „Ich möchte den Organisatoren des Aurora-Preises für alles danken, was sie getan haben. Wir sind im Begriff, eine neue Grundlage in Armenien zu schaffen, und sie stehen uns mit Rat und Tat zur Seite. Was Grundlagen anbelangt, bin ich wie ein Kind. Ich brauche jemanden, der mich an die Hand nimmt, weil ich zu viele Ideen und zu wenig Zeit habe.“ Zum ersten Mal in seiner Karriere spricht der Künstler Armenisch auf der Bühne. Im Anschluss singen Kevork Hagopian und der Hover-Chor „Pour toi, Arménie – Für dich, Armenien“ von Charles Aznavour vor dem Hintergrund armenischer Landschaften.

 

                    Der Hover-Chor singt Charles Aznavours Lied „Pour Toi, Arménie”

In seinen Abschlussworten sagt David Ignatius: Es ist an der Zeit, dass wir die Opferrolle ablegen und wir uns unserer gemeinsamen Menschlichkeit und Toleranz bewusst werden. Wenn wir diesen Saal verlassen, lasst uns etwas von dem Geist der Menschlichkeit mitnehmen, den wir heute erleben durften! Lasst uns etwas von der mutigen Arbeit tun, die wir heute Abend sehen durften!“